Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Obwohl der Krieg zu Ende war, war das Militärhospital noch in Betrieb, da wurden Verwundete behandelt. Auch mein Vater arbeitete weiter. Ungefähr im Spätsommer oder Herbst 1945 wurde das Hospital aufgelöst.
  2. Der Hospitalleiter schätzte meinen Vater sehr, er schrieb ein sehr gutes Arbeitszeugnis. Er wollte, dass mein Vater auch weiterhin bei ihm arbeite. Er sagte: „Ich bekomme eine neue Stelle, und du wirst zusammen mit mir arbeiten.“ Wir wollten aber natürlich heimkehren.
  3. Als das Hospital aufgelöst wurde, trafen wir Vorbereitungen, um nach Odessa zurückzukehren. Wir mussten noch etwas warten, um die Kartoffeln zu ernten. Das waren wohl sechs Säcke. Diese Säcke dienten uns auf dem Rückweg als eine Art Passierschein.
  4. Dank der Kartoffeln konnten wir in den Zug nach Moskau einsteigen. Dank der Kartoffeln konnten wir in Moskau von einem Bahnhof zum anderen kommen. Da stiegen wir irgendwie in den Zug nach Odessa ein. Als wir in Odessa eintrafen, hatten wir keine Kartoffeln mehr.
  5. Noch in Timaschewo beendete ich die zweite Schulklasse. Nach Odessa zurückgekehrt, besuchte ich die dritte Klasse. Wir stiegen bei einer Verwandten ab, die auch aus der Evakuierung zurückgekommen war. Sie konnte in ihre Wohnung wieder einziehen.
  6. Sie hatte ein kleines Zimmerchen, wir kamen aber alle vier zu ihr. Unsere Wohnung war zerstört. Zunächst dachten wir… Man sagte, da wäre eine Bombe eingeschlagen, in das Nachbarhaus auf unserer Hofseite. So wäre unsere Wohnung auch getroffen worden.
  7. Später bekam ich heraus, wie es wirklich war: Die Wohnung wurde durch eine sowjetische Bombe zerstört worden. Das heißt, während der sowjetischen Offensive wurde Odessa von unseren Truppen bombardiert. Es gab wahrscheinlich auch weitere Zerstörungen, doch später wurde das alles auf die Deutschen geschoben.
  8. Die Erfahrung aus der Vorkriegszeit half meinem Vater, einen Innenhof mit einem aufgestockten Haus zu finden. Da war ein zweistöckiges Haus, dessen Anbau im Krieg zerstört worden war. Er wurde wohl abgetragen, weil man Holz brauchte. Mein Vater beschloss, das Stockwerk wiederherzustellen.
  9. Da war dann unsere Wohnung, wo wir nach dem Krieg wohnten. Meine Schule lag auch in der Nähe. Übrigens wurde ich gerade in diesem Innenhof geboren. Damals hatten meine Eltern ein Zimmer gemietet, allerdings im Erdgeschoss. So kehrte ich nun in diesen Innenhof zurück.