Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich wurde zur russischen Tante geschickt, wir hatten (früher) in einem Haus gewohnt. Dabei gab es auch einen Moment, von dem ich erzählen möchte: Als ich den großen Innenhof passierte, rief jemand aus: „Da ist Shidowka!“ Ich bekam Angst, beschloss aber, weiter ins Haus zu meiner Tante zu gehen.
  2. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, erzählte ich ihr von diesem Ausruf. Jemand hätte die Polizei rufen können. Es gab ja den Befehl: Wer Juden versteckt, wird auf der Stelle erschossen. Ich hatte Angst und sagte: „Ich kann nicht bei dir bleiben, du könntest bestraft werden.“ Sie sagte: „Keine Angst, ich verstecke dich.“ Sie hatten zwei Zimmer, im Schlafzimmer stand ein Schrank in der Ecke. Sie versteckte mich hinter dem Schrank.
  3. Nur fünf Minuten später wurde an die Tür geklopft, es waren zwei deutsche Polizisten. Da gab es Polizisten und auch Soldaten. Sie sagten: „Eine Frau ist gerade zu Ihnen gekommen.“ Der Mann (der Tante) war groß und stattlich, er sagte: „Niemand ist zu uns gekommen. Treten Sie ein und schauen Sie sich um.“ Sie (die Männer) kamen hinein, beide Zimmer waren leer, nur er und seine Frau waren da. Sie machten kehrt, er sagte noch: „Gehen Sie in die erste Etage, vielleicht ist die Frau da.“
  4. Sie entgegneten: „Die Kinder haben gesehen, wie sie in diesen Hauseingang ging.“ Er sagte: „Vielleicht in die erste Etage.“ Sie gingen dahin. Währenddessen öffnete meine Tante das Fenster, sie wohnten im Erdgeschoss. Sie half mir, aus dem Fenster zu steigen, und ich ging (zurück) zur Familie nach Slobodka. Als ich ankam, waren meine Eltern nicht mehr da. Keiner war mehr da. Ich brach natürlich in Tränen aus. Plötzlich tauchte die (andere) Tante mit Mann und Tochter auf.
  5. Sie hatten sich hinter der Toilette im Hof verborgen, in einem Schuppen oder so. Sie hatten sich versteckt und wurden nicht fortgetrieben. Ich blieb mit ihnen zusammen. Mein Onkel war ein energischer Mensch. Er sagte, dass wir bis zum Schluss hier ausharren müssen, vielleicht werde sich etwas ändern. Denn es kamen ja schon die Gerüchte auf, dass die (weggeführten) Gruppen abtransportiert und erschossen werden. In der Tat sind wir irgendwie in diesem Haus geblieben, die Bewohner waren, wie schon gesagt, gut.
  6. Sie versuchten den Anschein zu erwecken, dass bei ihnen keiner wohne. Dann aber kam der Tag, als ganz Slobodka wieder durchsucht wurde: „Wird jemand gefunden, so wird er gleich auf der Stelle erschossen“, hieß es. Wir gingen natürlich raus und dann zur Fabrik, das war die letzte Etappe. Dort wurden die Leute gesammelt, die zufällig oder auch nicht zufällig in Wohnungen geblieben waren. Zusammen mit anderen wurden wir in den Kreis Berjosowka (Beresiwka) getrieben. Wir mussten in einen Zug einsteigen und kamen ins Dorf Domanewka.