Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich wurde 1944 eingeschult, wir wohnten damals in der Puschkinskaja-Straße. Tante Olja arbeitete nicht, denn Irotschka war noch ganz klein. Sie war erst drei Monate alt, als wir nach Odessa kamen. Meine Mutter arbeitete im Hafen, mein Stiefvater war ewig mit dem Wiederaufbau des Hafens beschäftigt. Und das Leben ging so weiter.
  2. Wir hatten nichts, und ich schlief in einem schlichten Klappbett. Aber das Interessanteste ist, dass wir keine Bettwäsche hatten. Ich bekam eine warme Arbeitshose aus der amerikanischen Hilfslieferung an die Hafenarbeiter. Das waren warme Jacken und Hosen, sie werden auch in Alaska getragen.
  3. Und ich schlief in dieser Hose, ich rutschte rein und hier am Hals band meine Mutter sie fest. Ich sah aus wie eine Raupe mit zwei Schwänzen. Wir lebten lange Zeit im Elend. Dann zogen wir in eine andere Wohnung in eine andere Straße um. Das war eine Dreizimmerwohnung, aber eine Wand war durch eine Granate zerstört worden.
  4. So konnte man ein Zimmer nicht benutzen, weil es dort im Winter sehr kalt war. Es gab keine Heizung, stattdessen stand in einem Zimmer ein kleiner runder Metallofen. Das Ofenrohr endete am Fenster. Wir beheizten das Zimmer und alle wohnten eigentlich in diesem Zimmer. Gekocht wurde da auch.
  5. Wir lebten natürlich sehr ärmlich. Wenn der Schuster meine Schuhe reparierte, konnte ich nicht zur Schule gehen. Die Kleidung meines Vaters wurde für mich umgenäht, zum Beispiel sein Anzug in einen Mantel für mich.
  6. Meine Mutter nähte seine Sachen auch für sich um, sie lernte stricken und so weiter. Aber es war karg, in meiner Klasse war ich eine der Kleinsten, unterernährt. Heute kommt keiner auf die Idee, dass ich die Kleinste in der Klasse war.
  7. Meine neue Kleidung war immer zu groß, sie sah aus wie ein Sack. In der ersten Klasse bekam ich ein Kleid, genäht aus der roten langen und warmen Unterhose meines Vaters. Meine Mutter nähte vorne einen Perlmuttknopf an. So ein schickes Kleid hatte ich! Meine Tasche war aus Zelttuch. Meine Mutter und Tante Olja konnten nähen, aus alten Klamotten etwas Neues machen.