Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Weiter möchte ich über etwas Einzigartiges in Minsk erzählen. In Minsk wurde eine Untergrundorganisation gebildet, auf Deutsch: Widerstand. Im Unterschied zu Polen und Litauen, wo es vor dem Krieg verschiedene jüdische religiöse, politische und Jugendorganisationen gab…
  2. Und in Minsk wurden die religiösen Schulen bereits 1939 geschlossen. In Weißrussland war die jüdische Bevölkerung sehr zahlreich, bis zu 15 Prozent der Gesamtbevölkerung, und in Westweißrussland noch mehr.
  3. Also, alle jüdischen Organisationen wurden beseitigt. Es gab nur Kommunisten und Komsomolzen. Deswegen war der Untergrund in Minsk kommunistisch. Ich betone das und sehe darin nichts Schlechtes, der spielte seine Rolle.
  4. Das Hauptproblem im Minsker Ghetto und überall auf dem besetzten Gebiet war der Informationsmangel: Was ist im Gange? Wo ist die Rote Armee und Stalin? Die Deutschen behaupteten: „Wir haben Moskau und Leningrad eingenommen, wir sind in Riga und Vilnius.“ Im Spätsommer fiel Kiew.
  5. Die Leute wussten nicht, was geschieht. Als Allererstes beschlagnahmten die Deutschen alle Radioempfänger in der Stadt. Es blieben die Lautsprecher, da wurden aber deutsche Informationen übertragen, auf Deutsch, Weißrussisch und manchmal auf Russisch. Deswegen war die erste Aufgabe der Untergrundkämpfer, sich zu versammeln und Informationen zu bekommen.
  6. Das Zweite war, Widerstand zu leisten. Aber wie, mit bloßen Händen? Männer waren nur wenige da. Waffen, wie kommt man im Ghetto an Waffen? Es gab einige Methoden, Waffen zu besorgen. Erstens, sie während der Arbeit in deutschen Lagern zu klauen. Zweitens, wenn die Gruppen zur Arbeit außerhalb der Stadt geführt wurden, fanden sie die Waffen, die sowjetische Soldaten weggeworfen hatten.
  7. Die Waffen ins Ghetto zu bringen, war mit großer Gefahr verbunden. Waffen wurden auch den Bauern abgekauft. Und auch den Deutschen: Wenn sie Kriegsbeute hatten, konnten sie sie verkaufen. Sie brauchten Geld und Wodka. Also, es bildeten sich Gruppen, dann begannen sie sich zusammenzuschließen.
  8. Und im August 1941, d.h. ein Monat nach der Errichtung des Ghettos, gab es bereits Gruppen. Von meiner Mutter blieb ein Archivdokument erhalten: Sie sei Mitglied der kommunistischen Untergrundorganisation in Minsk seit August 1941.
  9. Mama war von Anfang an aktiv. Ihre Aufgabe war Information. Zweitens versuchten die Gruppen, die vorrevolutionäre Erfahrung nutzend, eine Untergrunddruckerei einzurichten. Und für eine Druckerei braucht man Lettern.
  10. Viele jüdische Meister waren Setzer und arbeiteten in den Stadtdruckereien. Sie wurden unter Bewachung (zur Arbeit) geführt, manche wohnten sogar da. Da wurden Zeitungen verlegt usw. Und sie klauten die Lettern und brachten sie mit.
  11. Danach wurde Kontakt zum russischen Stadtteil aufgenommen und nach Auswegen aus dem Ghetto gesucht.