Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich ging zur Schule, es war wie sonst: Pioniere, Komsomol. Ich versuchte aktiv zu sein. Und ich hatte einen Traum, das hatte auch mit der (Partisanen-)Einheit zu tun: Ich wollte Arzt werden.
  2. Das ist ja eine gefragte Person, der wichtigste Beruf, im Krieg braucht man einen Arzt. An das medizinische Institut zu kommen war schwer, es war 1955. Denn damals gab es eine inoffizielle Anordnung, die Aufnahme (von Juden) zu reduzieren.
  3. Ich studierte Medizin und war ein aktiver Komsomolze. Ab dem dritten Studienjahr interessierte ich mich sehr für Chirurgie. Ich fand, Chirurgen sind besonders wichtig. Allerdings realisierte ich später: Im Krieg sind die Frauenärzte am wichtigsten.
  4. Ich beschäftigte mich damals mit Chirurgie, machte einige Publikationen, war auf Konferenzen. Und ich wollte nur als Chirurg arbeiten. Für mich wäre es möglich gewesen, in Minsk zu bleiben, da der Stiefvater Invalide und ich das einzige Kind meiner Mutter war.
  5. Ich wurde aber in einem Dorf im Gebiet Gomel eingesetzt. Das Dorfkrankenhaus hatte zehn Betten, da gab es keinen Strom, gar nichts. Ich begann da und arbeitete ein Jahr lang. Ich behandelte Erwachsene und Kinder, machte Abtreibungen und kümmerte mich um Seuchenkrankheiten.
  6. Danach machte ich eine Spezialisierung in Chirurgie in Gomel und arbeitete als Leiter der Chirurgie in einem Kreiskrankenhaus. Ich operierte und versuchte Doktorand zu werden. Jedoch traten auch dabei „Nationalitätsprobleme“ auf.
  7. Ich war Komsomol-Leiter im Kolchos, das ist auch wichtig. Danach war ich Komsomol-Leiter im Krankenhaus und trat der Partei als Kandidat bei. Ich musste da drei Jahre arbeiten und wollte aber nach Minsk. Das Kreisparteikomitee ließ mich aber nicht gehen – (Partei-)Disziplin.
  8. Erst nach drei Jahren kehrte ich nach Minsk zurück. Ich arbeitete in einer Klinik und bestand das „Kandidatenminimum“. Das Minimum wurde dann sozusagen Maximum. Denn die Arbeit erlaubte keine weiteren Tätigkeiten. Zudem war das Arztgehalt mickrig.
  9. Mama war krank, ich musste zu Hause sein. Und der Stiefvater. Nach der Klinik arbeitete ich in der medizinischen Abteilung des Traktorenwerks. Im Werk waren 30.000 Arbeiter beschäftigt.
  10. Wir waren da in der Ambulanz 140 Ärzte und noch etwa 300 Leute medizinisches Personal: Feldscher, Labormitarbeiter usw. Mein Bereich war Chirurgie, Betriebsmedizin und Unfallvorbeugung. Im Traktorenwerk wurde mir der Titel „Verdienter Veteran der Arbeit“ verliehen.