Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Ninel Revniaga

Ninel Revniaga wurde am 29. Oktober 1925 in Priluki im Gebiet Tschernigow (Ukraine) als zweite Tochter von Naum und Marija Revniaga geboren. Der Vater (1896–1995) stammte aus einer armen jüdischen Familie in Krementschug. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg in der zaristischen Armee, in der Zeit der Revolution schloss er sich der Roten Armee an und wurde Mitglied der bolschewistischen Partei. 1921 lernte er in Kobeljaki seine spätere Frau Marija (geb. Gerschfeld, 1898–1992) kennen. Die beiden bekamen zwei Töchter, Riwa (genannt Rima) und Ninel. Ninel war in den 1920er-Jahren in der Sowjetunion ein beliebter Mädchenname – rückwärts gelesen ergibt er: Lenin.
Die Familie zog häufig um, da der Vater an verschiedenen Orten in der Ukraine im Auftrag der Partei im Lebensmittelsektor tätig war. 1930–1933 absolvierte er in Kiew ein Studium an der Akademie für Versorgung, das er aufgrund der Hungersnot in der Ukraine nicht abschließen konnte, dann wurde er als Beauftragter für die Getreideernte nach Mogiljow-Podolskij und später nach Nemirow (Gebiet Winniza) geschickt, wo Ninel eine glückliche Kindheit verlebte. 1937 wurde der Vater verhaftet. Man machte ihn für den Kornkäferbefall in einem Getreidespeicher verantwortlich. Nach eineinhalb Jahren wurde er freigelassen, und die Familie zog nach Winniza, wo Ninel den Ausbruch des Krieges erlebte. Über Charkow und Saratow wurde die Familie nach Jerschowo (Gebiet Saratow) evakuiert. Dort erhielt der Vater als Direktor der „Verwaltung für Beschaffung tierischer Produkte“ eine neue Aufgabe.
Die Schwester Rima meldete sich Ende 1941 zur Roten Armee und diente in der Flugabwehr. 1943 besuchte Ninel sie an ihrem Einsatzort im Dorf Dunkel in der ehemaligen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, die im August 1941 aufgelöst worden war. Sie selbst besuchte in Jerschowo einen Kurs für Krankenschwestern der Militärreserve, wurde aber nicht eingezogen, da sie noch zu jung war. Danach absolvierte sie die neunte und zehnte Klasse.
1944 kehrte Ninel Revniaga mit ihrer Familie in die Ukraine zurück, nun nach Cherson. Sie studierte Geschichte an der dortigen Pädagogischen Hochschule und arbeitete zunächst in der Bildungsbehörde und auf einer Abendschule. 32 Jahre lang war sie Lehrerin in einer Jungenschule in Cherson (die nach fünf Jahren auch Mädchen zuließ). Mit manchen Schülern steht sie bis heute in Kontakt.
Ninel Revniaga heiratete Jakow Altholz und bekam den Sohn Michail und die Tochter Marina. 1995 folgte das Ehepaar den Kindern, die mit ihren Familien nach Deutschland ausgewandert waren, und zog nach Dortmund. Herr Altholz, der im Zweiten Weltkrieg als Soldat mehrfach verwundet worden war, starb 2003.
Im Rückblick sieht Ninel Revniaga gute und schlechte Seiten des Lebens in der Sowjetunion – insbesondere für Frauen waren die Belastungen groß. Mit der Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, ist sie sehr zufrieden. In der Jüdischen Gemeinde hat sie eine neue Heimat und neue kreative Hobbies gefunden. Sie schreibt Gedichte, hat in einer Theatergruppe mitgewirkt und ist Mitglied der Seniorentanzgruppe.