Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Isaak Olschanski

Isaak Olschanski wurde am 6. Januar 1928 in Chisinau (Kischinjow), der Hauptstadt der seit 1918 rumänischen Provinz Bessarabien, als viertes Kind des Schusters Motl Olschanski (1887–1941) und seiner Frau Hanna (1894–1977) geboren. Die 1930er-Jahre waren in Rumänien von starken innenpolitischen Unruhen geprägt, was Isaak am eigenen Leib erfahren musste. Als das jüngste Kind einer armen jüdischen Familie wuchs er in schwierigen Verhältnissen auf, doch schon früh erwachten seine Wissbegier und seine Freude an Büchern.
Nach dem Abschluss der vierten Klasse wurde Isaak im Alter von zehn Jahren in die Lehre bei einem Schneider geschickt, da kein Geld für die weiterführende Schule vorhanden war. Nachdem am 28. Juni 1940 sowjetische Truppen Chisinau besetzt hatten, wurde Kinderarbeit verboten, sodass Isaak wieder zur Schule gehen konnte. Da seine Familie arm war, hatte sie nicht unter Repressionen der neuen Machthaber zu leiden, erhielt aber auch keinerlei Unterstützung.
Nach dem Überfall der Deutschen und der mit ihnen verbündeten Rumänen auf die Sowjetunion entschloss sich Isaaks Familie am 6. Juli 1941 zur Flucht aus Chisinau. Schon in den ersten Tagen wurde der Vater bei der Überquerung des Dnestr von seinen Angehörigen getrennt, erst Jahre später erfuhren sie von seinem späteren Schicksal. Unter ständigem Beschuss floh die Familie in die südrussische Region Krasnodar und nach einigen Wochen weiter in den Nordkaukasus. Im Dezember 1941 bestieg die Familie in Machatschkala ein Schiff, das sie über das Kaspische Meer bringen sollte. Doch das Schiff lief auf Grund, in letzter Minute wurden die Passagiere gerettet.
Die Familie erreichte schließlich Krasnowodsk (Turkmenistan, seit 1993 Türkmenbaşy) und Almaty (Kasachstan). Auf der Reise erkrankte Isaak an einer Lungen- sowie einer schweren Mittelohrentzündung. Er musste in Almaty am Schädel operiert werden, während seine Angehörigen in die mehrere 100 Kilometer entfernte Kolchose Gajrat (Siedlung Karabulak, Süd-Kasachstan) geschickt wurden. Erst nach mehreren Monaten konnte Isaak seiner Familie folgen. Zu dieser Zeit herrschte eine große Hungersnot, die Tante verhungerte. 1944 zog die Familie in die Stadt Tschimkent (Kasachstan). Dort erfuhren sie von einem Cousin, dass der Vater im Nordkaukasus von Deutschen erschossen worden war.
Im Sommer 1945 kehrten Isaaks Mutter und Schwester nach Chisinau zurück, er folgte etwas später, da er inzwischen eine Ausbildung an einem Technikum begonnen hatte. 1948 schloss Isaak Olschanski das Technikum in Chisinau ab, ab 1950 studierte und arbeitete er gleichzeitig, da er auch seine Mutter zu versorgen hatte. Nach dem Hochschulabschluss arbeitete er als Konstrukteur bei verschiedenen großen Unternehmen und war wissenschaftlich tätig.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion änderten sich erneut die politischen Verhältnisse: 1991 erklärte die Republik Moldau mit Chisinau als Hauptstadt ihre Unabhängigkeit. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich, und der moldawische Nationalismus erstarkte. 1994 emigrierte Isaak Olschanski zusammen mit seiner Ehefrau Grete Ionkis, die er 1984 geheiratet hatte, nach Köln. Nach einer schwierigen Anfangsphase hat er in Köln neue Aufgaben gefunden: 1995 initiierte er den Aufbau einer Bibliothek in der Synagogen-Gemeinde Köln, die er bis heute ehrenamtlich leitet. Außerdem gehörte er zu den Gründern des monatlichen “Literatursalons”. 2005 war er eines von drei „neuen“ Gemeindemitgliedern, die den Papst bei dessen Besuch in der Kölner Synagoge begrüßten.