Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Borys Denenburg

Borys Denenburg wurde 1924 in Poltawa geboren. Er wuchs im Osten der Ukraine auf, wo die Familie bis Anfang der 1940er-Jahre mehrfach den Wohnort wechselte.
Unter Borys' Vorfahren war ein Rabbiner, und auch sein Vater besuchte noch eine religiös geprägte jüdische Schule. In der Sowjetzeit verblassten die religiösen Traditionen jedoch. Bildung spielte in Borys Denenburgs Familie eine große Rolle: Sowohl er selbst als auch seine Schwestern sollten eine akademische Ausbildung durchlaufen. Bevor Borys Denenburg ein Studium anfangen konnte, begann jedoch der Deutsch-Sowjetische Krieg.
Nach dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion wurde das Militärhospital in Isjum, in dem Borys’ Eltern und eine Schwester arbeiteten, evakuiert. Die Familie kam per Zug nach Sibirien, in die Nähe von Omsk. Während die Eltern dort weiter im Krankenhaus tätig waren, besuchte Borys Denenburg eine Militärschule, die aus Leningrad verlegt worden war und einen medizinischen Schwerpunkt hatte.
Borys Denenburg absolvierte in wenigen Monaten die Ausbildung und tat anschließend als Offizier Dienst in der Roten Armee. Als Führer einer Sanitätseinheit, die verwundete Soldaten bergen sollte, war er auf zentralen Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges eingesetzt: bei Woronesch, Kursk oder Rostow am Don. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges beteiligte sich Borys Denenburg an über tausend Bergungen; viele Soldaten wurden durch seine Einheit gerettet. Sein Einsatz trug ihm zahlreiche Auszeichnungen und Orden ein, aber auch mehrere Verwundungen und lebensgefährliche, ein Leben lang spürbare Verletzungen.
Nach der Befreiung der von den deutschen Truppen besetzten Gebiete der Sowjetunion und der gesundheitsbedingten Entlassung aus der Armee nahm Herr Denenburg – trotz Widerständen – ein Studium der Zahnmedizin auf, das er 1949 abschloss. Anschließend arbeitete er für mehrere Jahrzehnte als Arzt in einem Panzerwerk im ukrainischen Charkow. Seine Frau Sofiya, ebenfalls Ärztin, hatte er während des Studiums kennengelernt und bereits 1946 geheiratet. Aus der Ehe mit ihr sind zwei Töchter hervorgegangen, die später Ingenieurinnen wurden. Die Kinder bewegten das Ehepaar in den 1990er-Jahren zur Auswanderung. Obgleich das Ehepaar Denenburg in der Ukraine sein Auskommen hatte, folgte es den Töchtern und Enkelkindern nach Deutschland.
Die Aufnahme in die Kölner Jüdische Gemeinde gab Borys Denenburg die Möglichkeit zur Wiederaneignung jüdischer Tradition und Religion. Ein besonderes Anliegen wurde ihm „Unser Heim“, ein Zusammenschluss russischsprachiger Senioren in der Jüdischen Gemeinde. Der Verein bringt „Kriegsveteranen“, frühere Angehörige der Roten Armee, Überlebende von Ghettos oder KZs, Evakuierte und Blockadeopfer zusammen; er organisiert Gesprächskreise und Kulturveranstaltungen und richtet jedes Jahr am 9. Mai eine große Feier zur Erinnerung an den „Tag des Sieges“ aus.
Als langjähriger Vorsitzender von „Unser Heim“ hat sich Borys Denenburg mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, die Lebensgeschichten der Kriegsveteranen zu sammeln und für zukünftige Generationen zu bewahren: „Wir wollten, dass diese Menschen in der Erinnerung unserer Kinder und Urenkel bleiben.“ Mit Unterstützung der Synagogen-Gemeinde konnte 2009 ein Buch über die Kölner Kriegsveteranen erscheinen. Sein Titel: „Gedenkbuch. Das Schicksal des jüdischen Volkes im Zweiten Weltkrieg – Erinnerungen von Zeitzeugen“.