Die Eltern von Nadia Kudisch, 1910. Das Bild wurde von Verwandten während des Krieges aufbewahrt und so gerettet.
Nadia Kudisch mit ihren Schwestern Lidia und Rosa und dem Bruder Leonid (Lew), Anfang der 1930er-Jahre
Nadia (Nadeshda) Zilberman wurde 1914 in Odessa als Tochter von Genrich und Bassia Kudisch geboren. Sie hatte einen jüngeren Bruder, Leonid (Lew), und zwei Schwestern, Lidia und Rosa, die später nach Moskau zogen. Nadia absolvierte ihre Schulzeit in Odessa, besuchte anschließend ein Technikum und arbeitete als Buchhalterin.
Vom Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges 1941 wurde die Familie überrascht. Während ihr Bruder Leonid bei der Roten Armee diente und noch in den ersten Tagen des Krieges bei Riga fiel, blieb Nadia mit ihren Eltern in Odessa. Eine Flucht erwies sich als unmöglich.
Das zur Ukraine gehörige Odessa wurde nach der Eroberung dem Machtbereich Rumäniens zugeschlagen, das ein Verbündeter des nationalsozialistischen Deutschland war. Es lag im Gebiet „Transnistrien“, das seit August 1941 unter rumänischer Kontrolle stand.
Kurz nachdem deutsche und rumänische Truppen die Stadt im Oktober 1941 besetzt hatten, wurden die jüdischen Einwohner Odessas aus ihren Häusern getrieben und verhaftet, erschossen oder später im Stadtteil Slobodka ghettoisiert. Auch Nadias Eltern, ihre Tante Rosalia, ihr Onkel und ihre Cousine Genia mussten dorthin. Sie selbst sollte sich zunächst in der Stadt bei Tante Dominika verstecken, einer Cousine ihrer Mutter, die als „Russin“ nicht von judenfeindlichen Aktionen betroffen war. Nadia wurde aber entdeckt und schloss sich wieder ihren Verwandten in Slobodka an.
Bald nach der Ghettoisierung begann der Abtransport der verbliebenen jüdischen Bevölkerung aus Odessa. Insgesamt wurden Zehntausende jüdischer Männer, Frauen und Kinder verschleppt, vor den Toren der Stadt oder in Lagern wie dem „Todeslager“ Bogdanowka ermordet. Unter den Opfern waren auch Nadias Eltern. Sie selbst, ihre Tante, ihr Onkel und ihre Cousine entgingen nur deshalb dem Tod, weil die rumänischen Machthaber kurz zuvor die Massenerschießungen eingestellt hatten. Nadia und ihre Verwandten kamen zunächst in das Lager Domanewka und dann in die ländliche Siedlung Sabara im Landkreis Berjosowka (Beresiwka). Dort verrichteten sie Zwangsarbeit und sicherten ihr Überleben durch Dienste für die örtliche Bevölkerung.
Im Frühjahr 1944 flohen Nadia und ihre Cousine vor den auf dem Rückzug befindlichen deutschen Truppen. Während Onkel und Tante zurückblieben und sich bei Bauern versteckten, kehrten die beiden jungen Frauen unter falscher Identität nach Odessa zurück. Dort nahm sie Nadias „russische“ Tante auf. Wenig später erlebten die beiden die Befreiung der Stadt durch die sowjetische Armee.
Kurze Zeit später heiratete Nadia Kudisch ihren Bräutigam Michail Zilberman, den sie bereits vor dem Krieg kennengelernt hatte, von dem sie aber durch den deutschen Überfall und die Besatzung getrennt worden war. Die beiden bekamen 1945 eine Tochter. Die Familie blieb auch in den folgenden Jahren in Odessa. Frau Zilberman arbeitete als Buchhalterin, ihr Mann als Elektroingenieur. Auch ihre Tochter und ihr Schwiegersohn erlernten den Ingenieursberuf.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Lebenssituation für die Familie schwierig. Der öffentliche Antisemitismus nahm zu, man hatte „Angst vor Pogromen“, wie Nadia Zilberman erzählt. Nachdem sich ihre in Moskau lebende Schwester Lidia mit ihrem Sohn und dessen Familie zur Ausreise entschlossen hatte, ging auch Frau Zilberman diesen Weg. 1994 verließ sie mit Tochter Evgenia, ihrem Schwiegersohn Boris und Enkelkind Alex die Ukraine und gelangte über Dessau nach Köln.
Dort lebt sie auch heute noch mit ihrer Familie. Sie betont die innere Verbindung zur Heimat Odessa, berichtet aber auch von der Hinwendung zu Deutschland und der Jüdischen Gemeinde in Köln: „Wir integrieren uns“.