Dieses Foto hatte Felix’ Vater im Lager Norilsk bei sich. Er ließ einen Mitgefangenen ein Aquarell und eine Bleistiftzeichnung des Fotos anfertigen und bezahlte dafür mit Brot und Tabak.
Felix Lipski im Alter von drei Jahren. Zeichnung, angefertigt von einem Mitgefangenen des Vaters im Lager in Norilsk nach dem vorherigen Foto.
Familie Lipski vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Eltern von Felix Lipski stehen in der hinteren Reihe (4. und 5. v.l.).
Aron Fitersohn und Rosa Lipskaja mit dem Kommandeur der Partisaneneinheit Schalom Sorin sowie einem weiteren ehemaligen Partisanen der Sorin-Einheit (von links nach rechts)
Bescheinigung für Felix Lipski, dass er sich von Juni 1943 bis Juli 1944 in einer Familiengruppe der Partisaneneinheit Nr. 106 im Landkreiszentrum Iwenez aufgehalten habe, unterzeichnet von Kommissar und Stabschef der Partisaneneinheit Nr. 106
Felix Lipski bei der Einweihung des Denkmals für die in Minsk ermordeten Juden aus Hamburg an der „Jama“ (Grube) in Minsk, Oktober 1993
Felix Lipski wurde am 11. Mai 1938 in Minsk geboren. Seine Mutter, Rosa Lipskaja (1909–1980), stammte aus einer jüdischen Arbeiterfamilie. Als junge Frau trat sie der Kommunistischen Partei bei; 1932 wurde sie von der weißrussischen Parteiorganisation zum Studium nach Moskau delegiert. Dort lernte sie den polnisch-jüdischen Kommunisten Jakow Schlenskij (poln. Szlenski, 1904–1992) kennen, der wie sie an der „Kommunistischen Universität der nationalen Minderheiten des Westens“ studierte. Schlenskij, der in Polen im Parteiauftrag einen Polizeispitzel erschossen hatte, wurde 1932 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs in die Sowjetunion abgeschoben. Nach dem Studium arbeitete Rosa in verschiedenen Parteipositionen, Jakow war Korrespondent der polnischsprachigen Zeitung “Trybuna Radziecka“. Zwei Monate vor der Geburt seines Sohns wurde er im März 1938 als angeblicher polnischer Spion verhaftet und 1939 zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Nach dem Krieg konnte er auf Druck der polnischen KP nach Polen zurückkehren; 1968 wanderte er aufgrund der antisemitischen Welle in Polen nach Dänemark aus.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 scheiterte ein Fluchtversuch von Rosa Lipskaja, ihren Schwestern und Kindern am schnellen Vormarsch der deutschen Truppen. Am 28. Juni 1941 wurde Minsk besetzt, am 19. Juli die Einrichtung des Ghettos befohlen, in das bis zu 80000 Menschen eingepfercht waren. Ab August 1941 gab es „Aktionen“ gegen die jüdische Bevölkerung; tausende Menschen fielen organisierten Pogromen am 7. und 20. November 1941, am 2./3. März und am 28–31. Juli 1942 sowie am 23. Oktober 1943 zum Opfer.
Rosa Lipskaja beteiligte sich seit 1941 aktiv am Aufbau der Untergrundorganisation im Ghetto Minsk. Wenige Monate vor der endgültigen Liquidierung des Ghettos flüchtete sie im Sommer 1943 mit Felix und ihrem Lebensgefährten Aron Fitersohn (1897–1982) aus dem Ghetto. Bis zur Ankunft der Roten Armee im Sommer 1944 waren sie Mitglieder der Partisaneneinheit von Schalom Sorin, die neben einer Kampfkompanie ein Familienlager unterhielt.
Felix Lipski besuchte nach dem Krieg in Minsk die Schule, wurde Komsomolze und Parteimitglied. Aufgrund seiner Erfahrungen bei den Partisanen studierte er Medizin und arbeitete als Chirurg zunächst auf dem Land, ab 1965 in Minsk. 1969 heiratete er Sophia Schragowitsch-Lipskaja, er hat zwei Töchter und drei Enkelinnen. Die Geschichte des Minsker Ghettos und der Kampf um die Anerkennung des jüdischen Widerstands sind ein wichtiger Teil seines Lebens geblieben. Er hat Publikationen zur Geschichte des Ghettos und der jüdischen Partisanen in Weißrussland verfasst, die in deutscher, russischer und weißrussischer Sprache veröffentlicht wurden. Als Präsident (1991–1998) bzw. Ehrenpräsident des „Weißrussischen Verbands der ehemaligen jüdischen Häftlinge der nationalsozialistischen Ghettos und KZ” setzte (und setzt) er sich für die Belange der Überlebenden ein.
1998 wanderte das Ehepaar Lipski nach Deutschland aus und ließ sich in Bochum nieder – aus familiären Gründen und weil Felix Lipski bei seinen Reisen ein „anderes” Deutschland kennengelernt hatte. Bis heute engagiert er sich für die materielle und ideelle Anerkennung der jüdischen Ghettokämpfer und berichtet in Schulen und Bildungseinrichtungen über das Ghetto und den jüdischen Widerstand in Minsk.