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Ich wurde am 6. (August) verwundet, am 7. saß ich dort und am 8. kroch ich zur anderen Feldseite. Die ganze Nacht vom 7. auf den 8. kroch ich auf dem Rücken. Ich kroch da heraus und wurde von einem Deutschen aufgelesen. Er fuhr auf einem Pferdewagen mit einigen Kriegsgefangenen, sie transportierten einen Verwundeten, der die ganze Zeit „Hilfe!“ rief.
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Ich dachte: „Wen kann ich um Hilfe bitten? Gibt es eine Menschenseele auf der ganzen Welt, die mir helfen kann?“ Ich schrie nicht, rief keinen. Ich hatte es schwer. Aber (der Deutsche) nahm mich mit und verhörte mich kurz im Gehen. Ein regelrechtes Verhör machte mit mir ansonsten eigentlich keiner. Er fragte: „Wer bist du? Wie heißt du?“ usw.
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So begann eine neue Lebensgeschichte zu entstehen – wer ich bin, woher ich komme usw. Ich wurde neben den verletzten Rotarmisten gelegt. Ich fragte ihn: „Hast du um Hilfe gerufen?“ – „Jaja.“ Nun war ich neben ihm in einem Pferdewagen.
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Wir wurden durch das Dorf transportiert, da standen Frauen am Gatter, und sie fragten: „Hast du meinen Iwan gesehen?“ Jede nannte noch ihren Bruder oder Vater. Ich kannte keinen von ihnen. Und zehn- bis 14-jährige Mädchen brachten Frikadellen und Gurken. Ich nahm nur eine Gurke, um den Durst zu löschen.
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Wir wurden zu einem offenen Kolchosschuppen gebracht. Der Deutsche wusste wohin mit uns, da lagen schon verwundete sowjetische Soldaten in Reihen. Wir wurden ausgeladen und an eine Ecke des großen offenen Schuppens gelegt. Offener Schuppen heißt, dass es da keine Wände gab. Der war groß – 10 oder 15 mal 20 Meter. (Ich lag) direkt an einem Eckpfeiler. Ich sah einen Offizier von weitem kommen. Ich hatte schon geschulte Augen und erkannte sofort, dass er ein Leutnant ist.
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Er war mittelgroß, gutaussehend und hielt eine Pistole in der rechten Hand. Damals hatte ich keine Zeit nachzudenken. Später konnte ich es nicht verstehen: Warum hielt er die Pistole in der Hand? Was hatte er vor? Er kam auf mich zu, ich lag auf dem Boden. Und der Soldat, der uns dahin gebracht hatte, sagte: „Ich habe einen Deutschen gebracht“, er redete von mir. „Sein Vater ist ein Reichsdeutscher.“ D.h. ein echter Deutscher aus Deutschland. Der Leutnant kam ganz nah an mich ran und schaute mich an, ich blickte zurück. Er sah mich durchdringend an und sagte: „Er lügt! Das ist ein Jude.“
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Ich gab keinen Ton von mir, was hätte ich sagen können? In diesem Augenblick, als er noch sprach, kamen zwei Feldwebel. Ich merkte nicht, woher sie kamen; erst später wurde es mir klar. Neben mir tauchten zwei Feldwebel auf und sagten: „Ein Deutscher? Dann muss er versorgt werden, und später klären wir es.“ Während einer das sagte, ging der zweite zum Sanitätswagen und gab dem Fahrer ein Zeichen, der soll vorfahren.
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Ich konnte ihnen kaum mit Blicken folgen. Das war geschickt gemacht, ich weiß nicht, wer mir da half. Wenn ich danach fragte, lautete die Antwort: „Der Allmächtige hat sich wohl um die Sache gekümmert, um deine Rettung.“ Der Wagen war schon in der Nähe, die Hintertüren waren geöffnet. Sie holten eine Bahre heraus und legten mich gleich darauf. Sie ließen den Leutnant kein einziges Wort mehr sagen. Und er hätte nur meine Hose herunterziehen und mir dann eine Kugel in den Kopf jagen können.
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Man brachte mich zur Verbandsstelle, vielleicht bei einem Regiment – ich weiß es nicht genau. Ich weiß aber, welches Dorf das war. Vor fünf Jahren war ich dort und sah die Stelle, wo das Häuschen mit dem OP-Raum gestanden hatte. Ich wurde da hingelegt, mir wurde meine zerlumpte Kleidung abgenommen. Ich hatte nur die Unterwäsche an.
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Ich wurde dann auf eine Operation vorbereitet, mir wurde ein Tuch aufgelegt, mit… Ja, mit Narkose. Und mir wurde gesagt: „Zähl jetzt: eins...“ Ich begann zu zählen: „eins, zwei, drei…“ Als ich bei 20 war – auf Jiddisch kommt dann „Zwanzigeins“. Die Russen und Ukrainer sagen „Zwanzigeins“ und die Deutschen sagen es andersherum. Er schrie mich an: „Zähle auf Deutsch!“ Ich begriff, wo mein Fehler lag, und zählte: „Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig.“
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Weiter kam ich nicht, ich hatte keine Kraft mehr. In meinem Kopf rauschte es, ein Zug fuhr direkt auf mich zu und die Operation begann. Als ich nach der OP zu mir kam… Ich weiß nicht, das war auch eine außerordentliche Willensleistung. Ich begriff, dass ich verhört wurde. Und ein Mensch, wenn er nach der Vollnarkose zu sich kommt, versteht noch nicht viel, die Narkose wirkt noch, zuerst noch ganz und dann teilweise.
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Und man sagt in der Regel die Wahrheit, man kann sich nichts ausdenken. Der Kopf lässt keine falschen Antworten zu. Ich begriff jedoch, dass ich verhört wurde. Der Chirurg fragte nach der OP: „Wo ist deine Mutter?“ Und ich begann zu weinen: „Ich kenne meine Mutter nicht, sie starb nach meiner Geburt.“ Und meine echte Mutter lebte noch. Er hörte mit dem Verhör auf.