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Aus Uman wurden alle Soldaten mit einem Sanitätszug nach Deutschland transportiert. In Winniza wurde mein Wagen abgekoppelt – man musste für die Rumänen Platz frei machen, damit sie – Verbündete – ihre Verwundeten nach Rumänien transportieren konnten.
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Die deutschen Soldaten meckerten und ich schwieg, mir war es egal. Und ich kam ins Gebietskrankenhaus in Winniza. Die Deutschen hatten dort schnell ein Militärhospital eingerichtet. Und einige Ärzte und Krankenschwestern (aus Winniza) arbeiteten in diesem Hospital.
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Mein Bett war in der Mitte eines Raums für etwa zehn Leute. Ich lag in der Mitte und sie ringsum. Ich hörte einmal jemanden hinter der Tür weinen und laut reden. Die russischen jüdischen Frauen beschwerten sich beim deutschen Hospitalkommandanten: Bei einer wurde der Mann am Vortag erschossen, der Mann einer anderen wurde verhaftet.
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Sie weinten, und er konnte nicht helfen, es lag nicht in seiner Verantwortung. Damit beschäftigte sich die SS. Und ich begriff, was vor sich geht und was noch kommt. Zu mir kam eine junge Frau in meinem Alter. Sie hatte graue Augen und blondes Haar. Sie setzte sich auf den Hocker am Ende meines Bettes und sprach auf Russisch.
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Sie sagte: „Ich habe erfahren, hier kann einer Russisch. Ich komme zu Ihnen. Ich bin ein jüdisches Mädchen, Medizinstudentin nach drei Studienjahren am Institut in Odessa. Ich war in den Ferien zu meinen Eltern gekommen, da brach der Krieg aus.
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Ich wollte fort, schaffte es aber nicht, die Deutschen waren schon da. Wenn die Deutschen in Winniza bleiben, kann ich dann mein Studium in Odessa fortsetzen?“
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Was konnte ich dem Mädchen sagen? Ich habe sie auch heute noch vor Augen. Ich wollte sie nicht belügen, ich konnte es nicht. Die Wahrheit zu sagen wäre brutal gewesen. Ich redete mich heraus, ich sagte: „Es ist nicht klar, ob die Hochschulen bald aufmachen.“
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Das war auch die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. Unser Treffen war am 12. September, ich blieb nur drei Tage in Winniza. Und ich weiß aus Dokumenten: Am 13. September gab es die erste Erschießung von 1.500 Juden in Winniza. Später fand die zweite Erschießung statt – 15.000 usw. Da liegt die mir bekannte Studentin.
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Danach kamen wir nach Glatz. Verwechseln Sie diese Stadt nicht mit Graz in Österreich. Glatz befindet sich in Niederschlesien, heute Polen. Da war ein Hospital der Luftwaffe. Aber ich begann schon auf dem Weg dahin auf dem linken Bein zu hüpfen.
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Ich konnte mich bewegen und ging selbständig zur Toilette. Im Zug Winniza – Glatz ging ich schon alleine zur Toilette. Das war was, das muss man verstehen – „Ich lebe noch.“
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Am zweiten Tag nach der Ankunft in Glatz wurde ich ins Badezimmer geführt und man schlug mir vor, alles auszuziehen. Die ganze (Kleidung) wurde dann schnell entsorgt.
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Und mir wurde gesagt, dass mein Bett voller Läuse gewesen wäre, ich hätte sie da eingeschleppt. Ich wusste nicht, woher ich sie hatte. Ich war dann im Badezimmer, mein gesundes Bein stand im Wasser und das verwundete am oberen Wannenrand, das war eine richtige Badewanne.
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Und da war noch eine junge deutsche Krankenschwester, ein ganz junges Mädchen. Sie hatte noch keine Erfahrungen mit Männern und schämte sich, das anzuschauen, was man nicht anschauen darf. Und ich war nur damit beschäftigt, die Stelle zu waschen, die sie nicht anschauen durfte. Ich blieb am Leben.
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Am nächsten Tag… Ich weiß nicht, warum das war – es kam ein echter deutscher Feldwebel und brachte einen Haufen französischer Militäruniformen mit und sagte, ich sollte mich anziehen. Sonst sagte er nichts – wohin usw.
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Er sagte: „Kommen Sie mit. Können Sie gehen?“ Ich sagte: „Ich versuche es.“ Ich war zuvor noch nicht gegangen. Ich hinkte, konnte aber mit einem Stock gehen. Er brachte mich an den Bahnhof in Glatz, wir fuhren nach Breslau.