Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Borys Gorenshteyn

Borys Gorenshteyn wurde am 1. Januar 1937 geboren, in Berditschew, einem Zentrum jüdischen Lebens in der Ukraine. An seine Großeltern hat er kaum eigene Erinnerungen, da sie bereits vor seiner Geburt Krankheit und Verbrechen zum Opfer fielen. Seine Eltern, Wolf-Gawriel und Rosalia geb. Schtitelman, hatten ihren ersten Ehepartner jeweils durch einen plötzlichen Tod verloren. Borys Gorenshteyn hatte vier Geschwister, darunter eine Schwester und zwei Brüder, die aus den früheren Ehen seiner Eltern stammten.
Im Zweiten Weltkrieg musste Borys’ älterer Bruder in der Armee dienen. Nach dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion versuchten die Eltern, mit den anderen Kindern nach Taschkent (ins heutige Usbekistan) zu gelangen. Dort entging die Familie weiteren Kampfhandlungen und dem deutschen Besatzungsregime. Während der Evakuierung starb jedoch Borys’ jüngere, gerade ein Jahr alte Schwester.
Nach dem Rückzug der deutschen Truppen kehrte die Familie Ende 1944 in ihre Heimatstadt Berditschew zurück. Von den zwölf Geschwistern des Vaters waren die meisten während des Krieges ermordet worden; auch enge Verwandte der Mutter fielen der deutschen Besatzung zum Opfer. „Nur unsere Familie konnte also überleben“, erzählt Herr Gorenshteyn.
Ab 1945 besuchte Borys die Schule; 1952 nahm er eine Ausbildung mit Schwerpunkt Metallverarbeitung an einem Technikum auf. Ein weiteres Studium an einem Polytechnischen Institut wurde ihm in den 1960er-Jahren jedoch verwehrt – vermutlich, wie Borys Gorenshteyn sagt, wegen seiner jüdischen Herkunft.
Nach einigen Jahren Berufstätigkeit und einer mehrjährigen Dienstzeit in der sowjetischen Armee kehrte er 1960 nach Berditschew zurück und übernahm dort eine Stelle in einem Maschinenbaubetrieb. Ab 1974 hatte er einen Posten als Produktionsleiter in einer Strafanstalt inne und stieg dort bis zum Oberstleutnant auf; nach der Pensionierung 1994 folgten einige Jahre im Sicherheitsgewerbe, beim Objektschutz der Polizei. Bereits 1961 hatte Borys Gorenshteyn seine Frau Dora geheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die später beide den Ingenieursberuf ergriffen.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entschlossen sich viele aus Borys Gorenshteyns Familie zur Auswanderung: seine Schwester ging in die USA, die Kinder seiner beiden Brüder emigrierten in den 1990er-Jahren nach Israel und Deutschland. Das Ehepaar Gorenshteyn unternahm diesen Schritt erst, nachdem eine der Töchter mit ihrer Familie vorausgegangen war. Seit 1999 leben sie in Dortmund, in der Nähe der Kinder und Enkelkinder.
Herr Gorenshteyn spricht über die Verbundenheit mit seiner Heimat, betont aber auch die Integration seiner Familie in Deutschland. Wichtig ist ihm die Erinnerung an die Verstorbenen seiner Familie. Ihrer würdig gedenken zu können, war auch ein entscheidender Grund für seine Hinwendung zur Jüdischen Gemeinde.