Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Meine Heimatstadt ist recht klein, winzig. Da gab es nichts, keine Arbeit. Ich erfuhr aber, dass einer von meinen Mitschülern aus der achten Klasse B der dritte Parteisekretär des Kreisparteikomitees ist. Ich ging zu ihm, Wolodja Geraschenko. Wir hatten früher eine sehr gute Beziehung. Er war Sekretär der Schulkomsomol-Organisation gewesen und ich Vorsitzender des Schülerkomitees. Wir regelten oft gemeinsam diverse Fragen.
  2. Er wollte mir eine Stelle als Deutschlehrer in einem Dorf vermitteln. 20 Unterrichtsstunden, das ist ein gutes Stundensoll. Er telefonierte mit der Bildungsbehörde und regelte alles gleich. Zum Schluss sagte er: „Boris, ich habe eine Frage an dich, ich bin sehr beschäftigt. Wirst du mir keine Probleme machen? Ich spreche ja mit dem Leiter der Bildungsbehörde.“
  3. Ich sagte: „Aber nein, Wolodja, nein.“ Und es war nicht meine Schuld, dass ich ihm Probleme gemacht habe. An dem, was weiter passierte, bin ich nicht schuld. Diese ganze Ungerechtigkeit kommt von oben, ich habe damit gar nichts zu tun. Ich arbeitete als Lehrer.
  4. Ich begeisterte mich für die Arbeit, ich bleibe bis heute Lehrer. Ich war mein ganzes Leben lang Lehrer, und das auf Initiative von Wolodja Geraschenko. Er starb bereits vor über 20 Jahren. Er hatte eine schwere Kriegverletzung.
  5. Leider kann ich jetzt die Adresse seiner Witwe und seiner Kinder nicht finden, um Danke zu sagen. Das ist die zweite Sache, die mich quält. Also, ich kam ins Dorf Ragowka im Landkreis Polesskoje. Der Ort wurde zum dritten Mal umbenannt – aus Kaganowitschi in Polesskoje; Chabnoje – Kaganowitschi – Polesskoje.