Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich möchte erzählen, was ich persönlich im Ghetto erleben musste. Die Schwester war krank, wir hatten nichts. Ich war acht Jahre alt und meldete mich zur Arbeit. Es gab Zerstörungen, das musste wieder aufgebaut werden. Und die Deutschen… Es gab einen Judenrat und er verschickte die arbeitsfähigen Leute. Auch Kinder wurden dazu gezwungen, man bekam ja (sonst) kein Brot.
  2. Ich ging mit den Älteren mit und half auch. Zuerst baute man die zerstörte Eisenbahnbrücke wieder auf. Sie war von strategischer Bedeutung und musste instand gesetzt werden. Ich war mit Semjon Tamaschpolskij zusammen, der ebenfalls in Petschora gewesen ist. Wir arbeiteten dann in Mogiljow-Podolskij zusammen.
  3. Ich lud die Bretter auf und aus, schleppte Steine für die Straßenpflasterung. Dann wurde eine Gruppe gebildet, um Holz zu sägen, zu stapeln und das Gelände aufzuräumen. Ich war dazu gezwungen, so bekam ich etwas Brot und eine wässrige Suppe. Die Suppe brachte ich allerdings meiner Schwester, um sie zu stärken. Denn sie hatte sonst nichts.
  4. Das war natürlich eine Wassersuppe, aber trotzdem freuten wir uns darauf. Ich arbeitete und half bei der Straßenpflasterung genauso wie die anderen. Jedenfalls hielt man mich für ebenbürtig, ich musste arbeiten, denn ich hatte keine Wahl. Daher gab man sein Letztes.
  5. Ich arbeitete die ganze Zeit, bastelte eine Kiste und begann Schuhe zu putzen – den deutschen Passanten. Ich machte alles, um eine Kopeke oder so zu verdienen. Die ganze Zeit unterstützte ich als 8-/9-Jähriger irgendwie meine Schwester.
  6. Wir bekamen eine kleine Schüssel Suppe. Ich musste einen Teil davon irgendwo hin gießen und (den Rest) dann ihr bringen. Auch die Großmutter brauchte etwas zu essen.
  7. All die Jahre bis zur Befreiung arbeitete ich so in diesem Ghetto in Mogiljow-Podolskij, nach all dem Leiden vorher. Es dauerte bis März 1944, bis die Rote Armee kam und wir vom Leiden im Ghetto befreit wurden.
  8. Also, es war ein Wunder, ein Wunder Gottes, dass wir überleben konnten. Das ist unbegreiflich. Ich musste viel durchmachen – zwei Ghettos und ein KZ. Ich weiß nicht, es war ein großes Wunder.