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Kaum waren drei Monate vorbei, wurde mein Vater beim Kriegskommissariat vorgeladen und dann an die sogenannte Arbeitsfront geschickt. Wir hatten keine Ahnung, was das ist. Mein Vater war Jahrgang 1889. Er wurde nicht in die Armee eingezogen, sondern gleich an die Arbeitsfront geschickt. So fuhr er dahin. In dieser Zeit wurde es besonders schwer.
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Der Opa wurde krank und starb etwas später an Entkräftung. Denn er bekam noch blutigen Stuhlgang wegen des Essens. Dann wurde der Onkel auch krank und wir beerdigten auch den Onkel. Danach bot man uns an, in ein Dorf zu ziehen, da wäre es vielleicht besser. Es war bereits im Dezember, kalt. Und wir dachten, da sei es unter anderen Bedingungen vielleicht besser.
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Wir zogen dahin, die Bedingungen waren aber nicht besser. Außerdem konnte die jüngere Schwester meiner Mutter jederzeit ihr Kind bekommen. Wir kehrten sofort nach Andishan zurück und zwar in unsere alte Wohnung, glaube ich.
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Die Schwester der Mutter bekam einen Monat später einen Jungen und wir brachten sie zurück in die Wohnung. Wir hatten da keine Kissen und keine Decken. Ein usbekischer Nachbar gab uns eine einzige wattierte Decke. Wir alle schliefen da einfach auf dem Stroh.
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Ich erinnere mich daran, dass der Winter 1942 für uns sehr hart war. In dieser Zeit, nach der Niederkunft der jüngerer Schwester meiner Mutter, starb der Onkel. Wir bestatteten ihn. Dann starb auch die jüngere Schwester meiner Mutter an Entkräftung und blutigem Durchfall. Wir waren nun: meine Mutter, die Tante, die Oma und zwei Cousinen.
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Uns wurde angeboten, in ein anderes ähnliches Haus zu ziehen. Das Zimmer war da kleiner, aber irgendwie gemütlicher. Meiner Mutter und Tante gelang es, in der Nähfabrik eingestellt zu werden. Da wurden wattierte Jacken und Hosen für die Soldaten genäht. In dieser Zeit bekamen wir alle Brotkarten. Ich weiß nicht mehr, was für eine Brotration das war. Aber ich weiß, wir hüteten diese Karten wie unseren Augapfel.
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Wer die Karte verlor, hatte kein Brot mehr. Ich glaube, monatlich gab es ein Kilo Zucker pro Person und noch irgendeinen Fladen. Wir bereiteten dann Tee aus Möhren zu, streuten Zucker aufs Brot und tranken Tee. Das Fladenbrot war für uns etwas ganz Besonderes, eine einmalige Köstlichkeit wie Honigkuchen. Uns ging es aber schon besser, weil die Mutter und die Tante in der Nähfabrik arbeiteten – das war schon eine Stütze.
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Die wichtigste Organisatorin war zunächst die Oma, sie starb aber auch. Auch das neugeborene Kind starb, wir waren dann: ich, die Mutter, die Tante und zwei Cousinen. Das war unsere ganze Sippe, die nach der Evakuierung aus Shitomir noch da war.
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Ich glaube, im März (1942) hat die Bildungsbehörde uns verpflichtet, mich und meine ältere Cousine auf die Schule zu schicken. Wir gingen zu Fuß zur Schule. Da hatten wir auch eine kleine Stütze, denn da bekam man zum Frühstück ein kleines Brötchen und Tee.
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Ich saß auf der Schulbank mit meiner älteren Cousine, wir besuchten wohl die fünfte Klasse. Denn ich weiß noch, ich bekam damals eine Belobigungsurkunde, da stand auf Usbekisch und Russisch geschrieben: „Für vorbildliches Benehmen und gute Schulleistungen“ usw. Ich bewahre diese Urkunde auch heute wie eine Reliquie auf, als Andenken an diese Zeit.
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Es kam der Sommer, uns ging es etwas besser.
1942 war ich 11 Jahre alt und ich versuchte im Haushalt zu helfen. Ich und meine Cousine gingen auf den Markt und kauften Brennholz, das waren Baumwollstängel. Ich weiß noch heute, auf Usbekisch heißt es „Kusa sabaja“. Ich brachte sie nach Hause und wir kochten das Mittagessen aus dem, was wir hatten.
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Dann kamen die Eltern, wir nahmen Platz und aßen. Ich weiß noch, meine Mutter machte Blinis aus Möhren und Kleie, sie schmeckten damals sehr gut.
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Die Zeit verging. Besonders schwer war es, vom Verlauf der Schlacht um Stalingrad im Radio zu hören. Damals stand es sehr ernst. Wir fürchteten, die Deutschen könnten in Stalingrad durchbrechen. Die Eltern redeten täglich davon und besprachen die letzten Meldungen.
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Als im Radio erklang: „Das Sowinformbüro meldet…“, lauschten wir auf die Worte der Mutter und der Tante. Alle waren froh, vom Sieg bei Stalingrad zu erfahren. Die Eltern und wir sagten dann: „Nun werden wir siegen.“
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Im Sommer und Herbst hatten wir es etwas besser in dem Sinne, dass es Obst gab. Der usbekische Nachbar lud mich ein, ihm zu helfen. Ich half ihm im Haushalt und hielt Dinge fest beim Reparieren des Dachs.
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Er gab mir mittags etwas zu essen und ich war glücklich, keinen Hunger zu haben. Denn beim Spielen usw. überlegte ich den ganzen Tag: „Wie kann ich etwas zu essen bekommen?“
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Die ganze Zeit zog es in der Magengrube, die Gedanken drehten sich nur ums Essen. Sonst nichts, nur ums Essen. Ich kam gelegentlich zur Arbeitsstelle meiner Mutter.
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Da gab es eine Kantine und manchmal gab es da Nudelsuppe mit Baumwollöl, das weiß ich noch. Trotzdem war die Suppe sehr lecker, obwohl Baumwollöl sehr bitter schmeckt.