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Ich möchte noch von einer interessanten Sache erzählen: Bei uns wohnte eine Deutsche, sie gehörte zu den enteigneten deutschen „Kulaken“. Ihre Familie fiel auseinander und sie kam irgendwie nach Odessa. Sie ging von Haus zu Haus und suchte Zuflucht.
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Sie kam dann auf meine Mutter zu und bat sie, wenigstens übernachten zu dürfen. Meine Mutter hatte ein gutes Herz. Sie sagte: „Treten Sie in unsere Wohnung ein und schauen Sie sich an, wie wir leben.“ Wir selbst schliefen nicht da, weil es nicht ging.
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In dem kleinen Nebenraum stand der Ofen, und meine Mutter kochte da. Das war sozusagen unsere kleine Küche. In der Wohnung gab es noch eine gemeinsame Küche mit Wasserleitung. Meine Mutter sagte: „Das ist alles, was ich tun kann…“ Sie (die Frau) sagte: „Mir ist jeder Platz recht, ich kann auf dem Boden schlafen.“
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Sie sah ein kleines Bett an der feuchten Wand stehen und sagte: „Ich kann hier…“ Meine Mutter sagte: „Nein, hier ist es feucht, hier darf man nicht schlafen.“ Das Bett wurde jede Nacht an den Herd gestellt. Sie lebte dann bei uns und wurde allmählich Mitglied unserer Familie. In der ersten Zeit ernährte die Mutter sie, wir alle teilten unser Brot mit ihr, obwohl wir sehr arm waren. Und diese Frau hat eine gute Rolle in unserem Leben gespielt.
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Sie blieb alleine (in der Wohnung), als wir vertrieben wurden – davon erzähle ich noch. Sie blieb da und packte meine Kleidung zusammen, auch die der Mutter. Und die Briefe und Fotos, die im Haus waren. Auch das große Porträt nahm sie mit.
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Sie brachte das alles zu meiner Tante, einer Cousine meiner Mutter. Sie war Russin, ihre Mutter hatte sich christlich taufen lassen und einen Russen geheiratet. (Die Frau) wusste, wo sie wohnt, sie kannten sich, denn (die Tante) hatte uns besucht.
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Sie brachte all diese gepackten Sachen (zur Tante). Diese Sachen kamen mir sehr zustatten, als ich aus dem Ghetto kam, nackt und barfüßig. Sie war davon sehr mitgenommen, dass die Deutschen mit den Juden so umgehen, bis zu Tränen. Sie war wie eine Verwandte von uns.