Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Dann absolvierte ich die Pädagogische Hochschule und ging arbeiten. Nein, nach dem Abschluss wurde ich in ein Dorf geschickt. In der Zeit bekam ich jedoch das Angebot, im Technikum für Maschinenbau zu arbeiten.
  2. Ich fasste Mut und ging zum Leiter der regionalen Bildungsbehörde. Das war der ehemalige Partisanenkommandeur Fjodor Lyssenko. Ich bat ihn um Arbeitsbefreiung, damit ich im Technikum arbeiten kann.
  3. Er blickte mich aufmerksam an und sagte: „Sind Sie Komsomolmitglied? Haben Sie eine Ausbildung?“ Ich sagte „Ja“. „Dann werden Sie in unserer Bildungsbehörde als Personalinspekteurin arbeiten.“
  4. So wurde ich nach dem Abschluss Personalinspekteurin in der Bildungsbehörde. Später wurde aber klar, dass er einfach hübsche Mädchen mochte und sie bei sich einstellte. Ich arbeitete aber dort und vergab sogar Zeugnisse für die mittlere Schulreife.
  5. Ein Bursche kam mal sogar zu mir nach Hause mit einem Bündel Geld: „Ich gebe Ihnen Geld, und Sie stellen mir ein Reifezeugnis aus.“ Ich sagte: „Nein, ich mache so etwas nicht. Geh auf die Abendschule und absolviere die zehnte Klasse; dann bekommst du das Zeugnis.“
  6. Ich jagte ihn hinaus. Und später arbeitete ich auf der Abendschule. Danach bekam ich das Angebot, in der 20. Jungenschule zu arbeiten. Ich arbeitete fünf Jahre in dieser Jungenschule.
  7. Danach lernten Mädchen und Jungen in gemeinsamen Schulen. Ich arbeitete insgesamt in dieser Schule 32 Jahre lang. Und im Ganzen hatte ich 36 Arbeitsjahre.
  8. Ich unterrichtete in der fünften, sechsten und siebten Klasse, was ich halt bekam. Meistens unterrichtete ich aber die höheren Klassen – die achte, neunte und zehnte Klasse.
  9. Wie gesagt, ich arbeitete fünf Jahre auf der Jungenschule. Zunächst war es mir bange, mit den Jungen zu arbeiten. Das ist ja nicht einfach. Und die Klassen waren groß, bis zu 40 Schüler: „Wie komme ich da zurecht?“ Aber es ging, ich war jung.
  10. Außerdem kam ich in ein Kollektiv mit älteren Leuten. Und dann kam ich, eine junge Frau. Später erzählte man mir, dass sie in mich verliebt waren. Das ist gut, wenn die Schüler sich in die Lehrerin oder in den Lehrer verlieben. Das war oft der Fall. Ich pflege immer noch Kontakt zu meinen Schülern. Und besonders zu der Klasse, die ich als erste entlassen habe.
  11. Ich war nicht ihre Klassenlehrerin, ich unterrichtete Geschichte. Es war 1953, sie waren hervorragende Kinder. Wir feierten 25 Jahre Schulabschluss und 2003 luden sie mich zum 50. Jahrestag ein. Ich kam nach Cherson und wir feierten den 50. Jahrestag wunderbar. Es waren nur 15 Leute, zwei kamen aus Israel und einer aus Amerika und die anderen aus verschiedenen Städten. Für mich bleibt das Treffen unvergesslich.
  12. Sie nahmen ihre Plätze im Klassenraum ein und ich stand im Flur. Dann schellte es, ich trat herein und sagte: „Guten Tag, Kinder! Heute haben wir Geschichtsstunde. Ich werde euch aufrufen und ihr werdet über die wichtigsten Ereignissen in eurem Leben in den letzten 50 Jahren erzählen. Danach werden wir den neuen Stoff durchgehen und ich stelle die Aufgaben für die nächsten 50 Jahre.“