Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Mein Mann geht freitags zu Fuß zum Gebet, auch samstags, immer. Ich gehe nicht immer hin, aber jedenfalls an Festtagen, unbedingt. Wir gehen in die Synagoge und feiern zu Hause.
  2. Bald kommt Pessach. Wir bekommen hier Matzen und können koschere Lebensmittel kaufen. Wir feiern zwei Seder. Am ersten Seder kommen meine Tochter, Enkelin und eine Bekannte zu uns. Oder man kann in die Synagoge gehen. Den zweiten Seder feiern wir bei Freunden.
  3. Meine Eltern waren Chassiden, das hat noch Bestand. Meine Verwandten in Israel sind auch Brazlawer Chassiden, sie besuchen das Grab von Nachman in Uman. Ich war auch mehrmals da.
  4. Damals lebte noch mein Cousin in Israel, er fuhr nach Uman und rief mich an, wir trafen uns dort. Es war natürlich sehr interessant, dahin kommen viele Leute, um sich vor dem Zaddik zu verneigen.
  5. In Deutschland begeisterte sich mein Mann sehr dafür. Früher musste er sehr viel arbeiten, von Religion konnte keine Rede sein. Er hatte auch keine Zeit, er ging sehr früh und kam sehr spät, war sehr müde. Er arbeitete unmittelbar auf dem Bau. Die Baustellen dort sind ganz anders als hier. Hier baut man zuerst eine Straße, dann wird mit dem Bau begonnen.
  6. Dort ist es sehr dreckig, schrecklich. Er kam müde zurück, aß und schlief gleich ein. In Deutschland begeisterte er sich (für Religion) und liest viele Bücher. Er leiht sie in der Bibliothek aus und kauft sie. Er liest viel und nicht nur religiöse Bücher, sondern auch die Geschichte der Juden. Das ist ja faszinierend, die Geschichte der Juden kann man endlos lesen und studieren.
  7. Das ist das Gebetbuch meines Vaters. Ich bewahre es auf und brachte es mit hierher. Ich kann auf Hebräisch nicht lesen, schauen Sie es sich an, es ist ein sehr altes Gebetbuch. Er las immer Gebete aus diesem Buch.
  8. Mein Vater hat es gelernt. Meine Vorfahren waren Lehrer, sie versammelten die Kinder zu Hause und gaben Unterricht. Mein Vater lernte im Cheder, meine Mutter auch. Bei uns hörte das auf, wir lebten schon im Atheismus.