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Die erste Hälfte der Dienstzeit war ich in Litauen. Ich muss sagen, mein Aufenthalt in Litauen… Wissen Sie: „Liebe zur verlassenen Heimat, zu den Särgen der Ahnen“. Vorher war ich nie in Litauen gewesen. Plötzlich hatte ich das Gefühl einer gewissen Zugehörigkeit. Ich war dort, als die „Waldbrüder“ heftig bekämpft wurden. Ich diente in einem Panzerregiment.
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Wir waren in einer litauischen Kleinstadt stationiert, ein altes Kasernengelände, beinahe aus dem Ersten Weltkrieg, und schreckliche Lebensbedingungen. Im Zweiten Weltkrieg war dort ein deutsches Lager für Kriegsgefangene gewesen. An den Ziegelbaracken, wo unsere Kasernen waren, stand noch: „Vorsicht Flöhe!“, da hatte es infizierte Insekten gegeben. Mit uns zusammen war ein MWD-Regiment stationiert, das in den Wäldern operierte.
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Jeden Samstag wurden Operationen durchgeführt und jeden Sonntag gab es Begräbnisse. Begraben wurden nicht nur sie (die „Waldbrüder“), wir kriegten es auch ab. Zu meiner Zeit kam es zu einer Explosion in den Panzerhallen, sechs Leute kamen dabei um. Wie die Bombe dahin kam, blieb ungewiss. Uns wurde es jedenfalls nicht gemeldet.
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Außerdem hatten wir Einsätze in der Stadt. Die MWD-Leute durchkämmten die Wälder, während wir Wache bei den Kommandanturen schoben. Auf Pferdewagen oder Lkws brachte man Litauer, die im Wald getötet worden waren. Man legte sie in den Innenhof, und ihre Verwandten identifizierten sie und nahmen sie dann wohl mit, ich weiß es nicht. Also, es war ein schwerer Dienst. Während des Dienstes hatte ich das Gefühl der Zugehörigkeit. Seitdem interessierte ich mich sehr für Litauen.
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Meine Schwester hat damals geheiratet und lebte auch in Litauen, in Vilnius. Daher wussten wir, was dort vor sich ging. Wissen Sie, wenn in Ponary, im litauischen Babij Jar, das Denkmal (für die ermordeten Juden) ausgetauscht wird und dann da „für sowjetische Bürger“ steht… Ich hatte eine fröhliche rosafarbige Broschüre zu Hause in Moskau, sie hieß „Ponary, das industrielle Herz von Vilnius“. Das hat bestimmte Gefühle hervorgerufen.
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Gleichwohl war mir nicht danach, das alles streng zu verurteilen. Ich sah es im Kontext des Systems, der Zeit und der Epoche. In Druskininkai gab es noch Überreste eines jüdischen Friedhofs, den die Nazis ausradiert hatten. Dort lagen große Grabsteine, im Sand vergraben. Ich grub den Sand weg… – das war natürlich nach meinem Militärdienst.
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Ich grub den Sand weg und sah jüdische Inschriften. Viele Jahre später war ich wieder dort – den Friedhof gab es nicht mehr. Ich kam nicht nur dahin, weil ich den Friedhof sehen wollte. Ich liebe (Mikalojus) Ciurlionis, und er lag auf dem Weg zum Raigardes-Tal. Also: Er war nicht mehr da. Es stellte sich heraus, dass die Grabsteine als Stufen irgendeines „Kulturhauses“ verwendet wurden.
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Alles, was ich gesehen und Ihnen erzählt habe, war für mich sehr bedeutsam, auch für meine Arbeit am Buch über das Wilnaer Ghetto. Ich habe damit erst Jahrzehnte später begonnen.