Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wenn ich über uns (meine Frau und mich) persönlich rede, dann wussten wir schon Einiges. Denn unsere Tochter hatte schon seit drei Jahren hier gelebt. Sie schrieb uns stets Briefe und erzählte von allem. Und für sie war alles total neu. Auch wir konnten nach der Ankunft kein Wort verstehen und waren auf ihre Hilfe angewiesen. Zudem konnte meine Tochter keine Ausbildung machen, bevor wir kamen. Sie kam mit einem viermonatigen Baby, der jüngeren Tochter, (hier) an. Daher konnte sie keinen Kurs usw. besuchen. Als wir herkamen, passte meine Frau auf ihre Kinder bei ihr Zuhause auf. Und ich beschäftigte mich mit dem mittleren Enkel, dem Sohn meiner älteren Tochter.
  2. . Und die beiden besuchten die Sprachkurse. Wir bekamen keine Sprachkurse angeboten – wegen des Alters, aber auch, weil wir, ehrlich gesagt, das nicht anstrebten. Wir mussten vor allem unseren Töchtern helfen, damit sie die Sprache lernen und noch etwas in diesem Leben erreichen können. Gott sei Dank haben sie etwas erreicht. Meine jüngere Tochter arbeitet als Ingenieurin hier in Dortmund. Die Ältere ist Elektroingenieurin und kann hier nicht in ihrem Beruf arbeiten. Sie hat verschiedene Arbeiten gemacht und heute arbeitet sie in Rheinland-Pfalz in einem Geschäft auf 40(0)-Euro-Basis, vier Tage wöchentlich. Und ihr Freund ist Arzt, sie leben normal.
  3. Ich lerne Deutsch, damit ich von keinem abhänge. Wenn ich zum Arzt gehe, möchte ich meine Tochter nicht bitten: „Du musst mit zum Arzt, um für mich zu übersetzen.“ Heute gehe ich meistens alleine hin. Ich bin aber Asthmatiker und wenn ich zum Lungenarzt muss… – kann ich meine Beschwerden dem Arzt beschreiben, aber nicht verstehen, was er mir sagt.
  4. Dasselbe mit dem Herzarzt. Bei diesen zwei Ärzten bin ich auf ihre Hilfe angewiesen. Als die ältere Tochter hier lebte, hatte ich es etwas leichter. Sie hatte mehr Freizeit. Und diese (jüngere) Tochter muss einen Urlaubstag nehmen, wenn ich zum Arzt muss, und geht mit mir dahin.
  5. Ich kann nur eines sagen: In der Ukraine – ich sage nicht in der Sowjetunion – habe ich über 40 Jahre gearbeitet und war dort nicht so gut versorgt wie hier. Hier habe ich keinen einzigen Tag gearbeitet und diesem Land nichts gegeben. Und es versorgt mich mit allem: materiell, Unterkunft, medizinische Versorgung usw. Es besteht ein gutes Verhältnis zu uns, mehr kann ich da nicht sagen.
  6. Ich als Jude spüre in Deutschland keine besondere Behandlung, nichts in der Art. Weder ich noch meine Kinder, soviel ich weiß. Es schaudert uns natürlich, wenn wir z.B. von den faschistischen Kundgebungen hören. Das alles bekommen wir mit. In Dortmund versammeln sie sich sehr oft, zweimal jährlich. Das beunruhigt uns etwas, aber wir persönlich spüren nichts, das ist nicht der Fall.