Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Das war ein spezielles Waisenhaus für Kinder von Offizieren und Generälen, die ihre Mütter verloren hatten. Er sagte: „Die Kinder sind sogar älter als du. Wie kann ich dich hier einstellen? Das klappt nicht.“ Und ich ging arbeiten, wo es eben ging – als Verkäuferin. Verkäufer waren nach dem Krieg gefragt, und ich wurde als Verkäuferin eingestellt.
  2. Ja, in dieser Zeit wohnte ich bei der Tante, sie war Mamas jüngste Schwester. Ihr Zimmer war aber nur 13 Quadratmeter groß. Sie waren zu dritt, ich war die vierte. Ich schlief auf einer großen deutschen Munitionskiste. Da bei der Tante gab es zwei Türen. Wenn eine geöffnet wurde, musste ich die Beine anziehen, ansonsten ging die Tür nicht auf.
  3. Kurz gesagt, ich fahre fort, wo ich zu arbeiten begann. Ich wechselte in ein Atelier und arbeitete als Meisterin. Später wurde ich Zuschneiderin und arbeitete dann so die ganze Zeit. Ach, ich arbeitete fünf Jahre lang in einer Nähfabrik in der Massenproduktion. Danach wollte ich da nicht mehr arbeiten, es war uninteressant. Und ich beschloss, auf Maß zu schneidern.
  4. Ich war der Meinung: Ein Meister muss 1.000 Rubel verdienen und ich etwas mehr. Jede Nacht rechnete ich nach, wer wie viel bekommen sollte. Ich arbeitete zuerst im Atelier „Grazie“ und dann wechselte ich in ein anderes Atelier. Ich hatte dort auch fünf Meister. Und ich musste jedes Mal ausrechnen, was sie verdienen müssen, damit es allen gut geht. Und so arbeitete ich bis zur Rente.
  5. Und mein Mann sagte: „Maya, dann ist unser Schicksal halt so.“ Wir lebten 40 Jahre zusammen. Er starb in Dortmund, er lebte hier vier Jahre. Er hatte Diabetes, von seiner Mutter vererbt. Er war herzkrank und rauchte sehr viel. Und er war ständig dran: „Ich will das und das noch fertig machen.“ Er war genauso wie ich, er konnte alles. Er war zwar Fernsehtechniker, konnte aber alles.
  6. Ich arbeitete zwei Jahre da und entschied doch nach Kiew zu gehen. In Kiew wollte ich auch in einem Waisenhaus arbeiten. Ich bewarb mich und der Direktor sagte… Ich hatte lange Zöpfe. Und ich sah schwach aus, war mager usw. Der Direktor sagte: „Meine Kinder sind genauso alt wie du.“
  7. Ich arbeitete nur ein Jahr dort, und dann kam die (Währungs-)Reform, ich kündigte. Und ich wechselte ins zentrale Telegrafenamt und schloss die zehnte Klasse auf der Abendschule ab. Später überlegte ich: Auf dem Telegrafenamt kann ich auch nicht arbeiten. Denn ich beschloss…
  8. Ich wohnte dann zur Miete bei einer alten Frau und arbeitete auf dem Telegrafenamt. Ich entschied dann: „Solange ich kein Handwerk beherrsche, bleibe ich bettelarm.“ Ich schloss die zehnte Klasse ab und wurde wieder am Technikum zugelassen. Ich wollte später aber nicht mehr studieren, ich wollte eine Ausbildung machen, um zu arbeiten. Ich machte die Ausbildung als Schneiderin und Näherin und begann zu nähen genauso wie mein Papa.
  9. Ich wechselte ins Atelier und erlernte alles. Ich war zuerst Meisterin, dann wurde ich Zuschneiderin. Allerdings wollte mich keiner ausbilden. Ich lieh Bücher in der Bibliothek aus und nach Schnittmustern… Mir half noch eine Frau aus einem anderen Atelier: „Maya, wieso denn nicht? Ich gebe dir Schnittmuster und Kurvenlineale.“ Dann begann ich zu arbeiten. Und vier andere Zuschneiderinnen – alle ihre Kundinnen kamen dann zu mir.
  10. Sie sagten mir auf Ukrainisch: „Du hast es drauf.“ Ich selbst weiß nicht, wie es dazu kam. Und ich arbeitete in der Fabrik bis zur Rente. Und danach – ich weiß nicht, wie es kam. Ich beschäftigte mich mit diversen Sachen, mir gefiel alles. Ich machte Puppen, als ich schon Rentnerin war. Ich musste ja dazu verdienen, denn die Rente alleine… Ich war schon als Zuschneiderin gewöhnt, gut zu verdienen.
  11. Ich habe geheiratet, als ich schon 27 war. Ich habe spät geheiratet. Ich konnte aber keine Kinder haben, weil ich im Waisenhaus sehr schwer krank war. Ich machte eine Kur usw., das klappte aber nicht. Ich konnte einfach keine Kinder bekommen.
  12. . Ich wurde operiert und zwar sehr unglücklich, und es kam so, dass mein Mann und ich keine Kinder hatten. Dabei hatte ich einen sehr guten Mann. Als ich als Zuschneiderin arbeitete, hatte ich viele Bekannte. Eine war sogar Direktorin eines Waisenhauses
  13. Sie sagte: „Maya, lieber keine Kinder (adoptieren).“ Das waren ja keine Kriegswaisen, sie waren Kinder von Alkoholikern usw. Sie sagte: „Diese Kinder – lieber nicht“, sie riet mir ab.