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Dort (im Ghetto) gab es viele Typhusfälle, es herrschten Hunger und Kälte. Die Menschen bekamen Schwellungen und starben auf Schritt und Tritt; das Ghetto war auch abgeriegelt. Allerdings war das der Wohnort meiner Großmutter. Viele kannten sie, hatten früher Ratschläge bei ihr eingeholt.
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Die noch da waren, meistens Ukrainer, versuchten irgendwie Hilfe zu leisten. Sie brachten, was sie gerade hatten. In dieser Zeit erkrankte meine Mutter schwer infolge der Misshandlung und des KZ-Aufenthalts. Es war schon im September 1942, als sie im Ghetto starb. Wir mussten dann etwas machen, die Großmutter wusste, dass die Lage ausweglos ist.
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Sie kannte die Leute im Ort, das war ja ihr Geburtsort, sie wuchs da auf. Bereits in der Nacht kam man zu uns und holte (die Leiche) ab. Es gab keinen Sarg, nichts – sie wurde einfach hinausgetragen, um sie irgendwo (zu begraben). Trotzdem lag sie etwa eine Woche noch bei uns im Ghetto.
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Danach beschlossen wir, dass es nicht mehr geht, es begann ja die Verwesung. Allerdings war es schon kalt. Sie wurde dann hinausgebracht und begraben. Wir mussten etwas unternehmen, und die Großmutter fasste einen Entschluss: Alles, was sie noch im Versteck hatte…
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Die Dorfleute halfen ihr, wo sie nur konnten. Man brachte Kartoffeln und etwas Brot, so konnten wir eine Weile durchhalten. Aber was sollten wir tun? Die Mutter war nicht mehr da, meine Schwester nach der Misshandlung krank. Wir beschlossen, irgendwie nach Mogiljow zu gelangen. Und eines Nachts… Es war eine Entscheidung der Großmutter: „Wir müssen hier weg.“
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Wir dachten: „Vielleicht nach Mogiljow…“ Die Mutter war schon begraben, der Vater bei der Arbeitsarmee. Die Großmutter und wir wollten nach Mogiljow: „Vielleicht ist es da besser und leichter.“ Und wir kamen nach Mogiljow. Aber kaum dass wir bei den Bekannten untergekommen waren, wurden wir gleich auf einen Platz getrieben und kamen ins Ghetto in Mogiljow-Podolskij. Wir waren nur noch Haut und Knochen, absolut abgemagert.