Jüdische Lebensgeschichten

Auf unserer Schule gab es Lehrer, die vor der Revolution ihre Ausbildung gemacht hatten. Da waren also Lehrer, die die Einstellung hatten, die Leute zu erziehen und ihnen Kenntnisse zu vermitteln. Das Wichtigste war aber, anständig zu sein. Sie hatten ein sehr gutes Verhältnis zu uns und konnten uns gute menschliche Eigenschaften beibringen.
Die Geographielehrerin z.B., Jelisaweta Loktewa, war an sich ein hervorragender Mensch. Kam einer in die neunte Klasse, redete sie ihn gleich mit Sie an. Da war ein wunderbarer Physiklehrer, Semjon Moissejew, er hatte Sinn für Humor. Das waren Leute, die ihre Ausbildung vor der Revolution gemacht hatten.
In der Schule gab es einige Aktivitäten. Ich denke, das war etwas anders als auf anderen Schulen. Meiner Meinung nach war es das Verdienst des Schuldirektors. Das war gerade der, der meine Mama angestellt hatte, Gerasim Maslow. Damals gab es auf unserer Schule z.B. Tanzstunden.
Es war die Zeit, als Foxtrott, Tango usw. als Einfluss des Westens betrachtet wurden, die Tänze galten als scheußlich und unmöglich. Daher hatten wir Gesellschaftstänze, uns unterrichtete der ehemalige polnische Graf Sawestowskij. Pas de Quatre, Pas d’Espagne, Krakowiak, das alles konnten wir tanzen. Damit wir Tanzen lernten, kamen die Mädchen aus der Mädchenschule zu uns.
Damals gab es getrennte Schulen. Da lernten wir auch den Umgang mit Mädchen, was auch nicht unwichtig war. Wir hatten eine sehr gute Laienkunst. Außer Tanzen beschäftigten wir uns mit den Teilaufführungen der klassischen Theaterstücke: „Don Giovanni“ von Puschkin und der Stücke von Ostrowskij, z.B. „Das heiße Herz“. Wir waren theaterbegeistert.