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1965 begegnete ich meinem Mann. Sie haben wahrscheinlich oft davon gehört: Die Leute mit jüdischer Herkunft waren unter der Sowjetmacht bestimmten Verfolgungen ausgesetzt. Ja, das gab es und vor allem im Bezug auf die Studienchancen und Aussichten auf eine Karriere.
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Unsere Familie, ich und mein Bruder, waren davon nicht betroffen, das ist klar. Denn… Und was meinen Mann anbelangt, hatte er es nicht leicht. Mein Bruder absolvierte die Hochschule für Seefahrt und ich die Uni, die philologische Fakultät.
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Und bei meinem Mann sah es schwieriger aus. Sein Nachname ist Eisenstadt, das beeinflusste gleich… Seine Mutter ist Russin. Er wollte nicht tun, was oft andere taten, nämlich den Nachnamen der Mutter und ihre Nationalität annehmen. Er behielt den Nachnamen seines Vaters.
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Obwohl er die Schule und die medizinische Fachschule absolvierte… Er wollte Arzt werden, wurde aber zum Medizinstudium nicht zugelassen. Er arbeitete als Feldscher und wurde zum Philologiestudium zugelassen, es war das Fernstudium.
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Er hatte immer einen Hang zur Dramaturgie, zum Schreiben von Theaterstücken und Prosa. Nach dem Uni-Abschluss – wir kannten uns damals schon – arbeitete er in einem Fernsehstudio und als Korrespondent und für das Programm verantwortlicher Regieassistent in einem Puppentheater.
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D.h. er versuchte es, aber das waren Stellen, die in der Sowjetunion zum Bereich „ideologische Arbeit“ gehörten. Da war die Kontrolle besonders scharf, und einmal erzählte er während einer seiner Stadtführungen die ganze Wahrheit.
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Dann bekam er so etwas, was in der Sowjetunion „Berufsverbot“ genannt wurde. Er und ich haben 1966 geheiratet, 1967 haben wir den Sohn bekommen. Ich setzte meine Arbeit im Institut für Kommunikation und an der Universität fort.
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Fast mein ganzes Leben mit Unterbrechungen arbeitete ich an der Uni. Und er musste nach dem Berufsverbot in ein Werkslabor wechseln, seine medizinische Ausbildung ermöglichte ihm, da zu arbeiten. Das war eine ziemlich gefährliche Arbeitsstelle: Röntgen- und Gammastrahlen.
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Da arbeiteten Akademiker, die mit der Obrigkeit nicht klar kamen, das war eine Art Zufluchtsort. Er schrieb nebenbei weiter – „für die Schublade“, wie man bei uns sagte. So ging unser Leben weiter, bis die Idee aufkam, hierher auszuwandern.