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Mein deutscher Großvater wurde in Moskau geboren und war zuerst in der Partei der Sozialrevolutionäre oder ein Menschewik. Danach wurde er Bolschewik und die Partei schickte ihn als Ingenieur von Moskau nach Leningrad, um die Papierindustrie aufzubauen.
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Sie bekamen dort eine Wohnung, und er arbeitete als Direktor einer Papierfabrik. Das war wohl 1938/39. Nach Kriegsausbruch wurden alle Deutschen aus Leningrad deportiert, er aber nicht. Er bekam die Aufgabe, die Fabrik zu demontieren und in den Ural zu transportieren.
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Als er damit fertig war, lag die Großmutter im Krankenhaus – in der Zeit, als er abfuhr. Sie wurde operiert und konnte nicht mitfahren. Der Großvater baute die Fabrik dort neu auf, sie war dann sozusagen betriebsbereit. Und dann wurde er verbannt und lebte in der Verbannung. Das weiß ich natürlich (nur) aus Erzählungen.
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Und hier beginnt das Unverständliche: Er wollte vielleicht seine Schwester sehen… Seine Schwester und sein Bruder waren in Moskau, und er fuhr hin. In Moskau angekommen, wurde auf ihn in einer dunklen Gasse geschossen. Ich glaube, er hatte drei Wunden. Als all dies zu Ende war und man sich für die inhaftieren Verwandten interessierte, stellte sich heraus, dass er zur Erschießung verurteilt worden war.
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Warum das aber in einer Gasse (passierte), das verstehen wir heute immer noch nicht. Er traf immerhin (vorher) seine Schwester Anja – in der Nacht. Das alles soll nachts gewesen sein, er soll nachts erschossen worden sein. Sie sah ihn und schickte ihn weg, bevor man ihn suchte. Und er wurde gesucht, denn er war ja weggefahren. Also, sie erzählte uns: Er kam, war sehr aufgeregt und erzählte fast nichts. Das alles ist unklar.
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Mein zweiter Großvater war zu Kriegsbeginn schon in Haft. Er wurde 1933 verhaftet, er saß 20 Jahre ab.
Diesen Großvater sah ich vor dem Krieg nie. Ich sah ihn zum ersten Mal nach seiner Rückkehr, nach seiner Freilassung.