Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nach dem (Studien-)Abschluss beschlossen wir, drei Freunde, zur Arbeit in den Fernen Osten zu ziehen. In Chabarowsk war ein Kaganowitsch-Turbinenwerk. Mein Name ist Kazanovich und das Werk wurde zu Ehren von Kaganowitsch genannt. Und da wir wussten, dass den Juden kaum eine gute Stelle zugewiesen wird…
  2. Wir wollten zu dritt hinkommen und meldeten uns nicht für die Ukraine oder Moskau an: „Schicken Sie uns drei nach Chabarowsk, wir haben ein Angebot da…“ Es kam aber so, wieso weiß ich immer noch nicht, dass die Freunde von mir nach Chabarowsk gingen und da arbeiteten. Und ich wurde irgendwie nach Nikolajew geschickt.
  3. In Nikolajew wurde ein Turbinenwerk gegründet, wo Turbinen für den Schiffsbau gebaut wurden. Die Fachleute kamen aber aus dem Kasaner Flugzeugbauwerk, 300 Leute wurden von dort nach Nikolajew geschickt – Fachleute mit dem Chefkonstrukteur an der Spitze. Und man baute Schiffstriebwerke ähnlich den Flugzeugtriebwerken, es war eine Neuheit. Ich arbeitete jedoch nicht lange bei diesem Turbinenwerk. Ich war noch ein „junger Fachmann“ und „junge Fachleute“ durften nicht in eine andere Stadt ziehen.
  4. Sie mussten drei Jahre nach dem Studium (auf einer Stelle) abarbeiten. In dieser Zeit starb mein Papa, und ich selbst wollte sehr gerne nach Charkow. Ich ging zu Papas Begräbnis. Dann sagte Mama: „Komm nach Charkow, wenn du kannst.“ Ich wusste aber nicht, wie ich das schaffen sollte. Dann erfuhr ich, dass beim Turbinenwerk (in Charkow) ein Mann arbeitet – genau in meinem Alter und mit derselben Ausbildung. Und er wollte nach Nikolajew und ich nach Charkow, aus familiären Gründen. Keiner konnte aber das Problem lösen, denn es gab das Gesetz – ein „junger Fachmann“ usw.
  5. Wir beide fuhren dann nach Moskau und kamen durch bis zum Leiter der Hauptverwaltung für Turbinenbau. Es war Tischin, der Verwaltungsleiter. Das war bereits 1956. Wir kamen in seine Sprechstunde und erzählten, dass wir unsere Arbeitsplätze tauschen möchten.
  6. Er war sehr unzufrieden mit der Arbeit seiner Verwaltung, rief seinen Stellvertreter für Kader herbei und rügte ihn. Er sagte: „Man muss mit dem Kopf denken, die Sache lässt sich regeln.“ Kurz gesagt, ich wurde zum Turbinenwerk nach Charkow versetzt. Und da lernte ich Nellja kennen, es war 1956.