Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nein, kein einziges Mal sind wir auf Antisemitismus gestoßen. Das kam nicht vor, obwohl wir nicht nur in Dortmund unterwegs waren, sondern auch in unserem Bundesland. Ich war nicht nur im Chor, sondern auch im Theater und wir reisten in viele Städte. Nirgendwo stießen wir persönlich auf Antisemitismus.
  2. Obwohl: Ich beziehe die „Rheinische Zeitung“ und lese, dass das da und dort vorkommt. Als Nellja noch (konnte)… Heute kann ich es auch nicht mehr, (doch früher) besuchten wir die Synagoge, einmal monatlich. Man sollte eigentlich zwei Mal wöchentlich gehen, freitags und samstags.
  3. Wir beschlossen aber, dass uns das nicht passt. Aber ein Mal monatlich, jeden ersten Samstag im Monat gingen wir zum Gebet in die Synagoge. Und wir nahmen allgemein am Leben der Synagoge teil, hörten Vorträge und benutzten die Bibliothek. Also, wir haben die ganze Zeit Kontakt zur Synagoge gepflegt.
  4. Jetzt kann ich es nicht (mehr). Ich würde gerne samstags hingehen, aber wegen Nelljas Zustand… Manchmal gehe ich (noch) hin, beim Chor mache ich weiter mit. Am letzten Sonntag sind wir zu einem Auftritt nach Gelsenkirchen gefahren. Eine Krankenschwester kommt zweimal täglich und unterstützt mich.
  5. Sie kommen aber für 30 oder 40 Minuten. Wir sind bei einem medizinischen Dienst angemeldet, der alten Leuten hilft, mir und auch Nellja. So eine Pflege hätte es dort (in der Ukraine) nicht gegeben. Dort wären wir uns selbst überlassen. D.h. wir sehen die positiven Seiten unseres Aufenthaltes hier.
  6. Nun, ich bin der Meinung… Und du Nellja, bist du auch zufrieden, dass wir Juden sind? / Was könnte ich sonst sein? / Wir sind in so einem Maße daran gewöhnt, dass wir finden: So sollte es auch sein. Einer ist Jude, der andere Russe, wieder ein anderer ist Deutscher. Für uns… Ich habe Ihnen drei oder vier Fälle der Unterdrückung (in meinem Leben) genannt. Wir sind da aber irgendwie problemlos durchgekommen, vielleicht weil ich Optimist bin.
  7. Und Nellja ist immerhin zur Hälfte auch Optimistin. Daher finden wir, dass das ganz normal ist. Und wir sind sehr stolz… Ich bekam neulich einen großen Artikel über Israel in die Hände – was für ein prosperierender Staat es innerhalb von 60 Jahren wurde. Und wie fortschrittlich sie in der Landwirtschaft sind. Sie versorgen sich mit allem, dabei herrscht da Hitze und Wasser muss zu jeder Pflanze hingeleitet werden. In der Landwirtschaft sind sie die besten weltweit. Und was Medizin und insgesamt Wissenschaft und Technik anbelangt und auch die Zahl der Nobelpreisträger…
  8. D.h. ich bin manchmal sogar stolz auf meine Zugehörigkeit zum Judentum. Denn am Beispiel dieses wenn auch kleinen Staates sehen wir, dass Juden (etwas) entwickeln können. Und es ist sehr bedauerlich, dass Europa diese Frage nicht so behandelt, wie man es sich wünscht. D.h. für Europa und noch mehr für Russland sind die Araber wichtiger. Vielleicht ist es so, weil sie hier zahlreich sind, vielleicht will man die arabische Seite wegen der Wahlen unterstützen. Das schadet aber nicht nur Israel, sondern der ganzen Welt.