Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Meine Großeltern lebten in Orten bei Odessa, in der Südukraine. Ich kannte sie eigentlich nicht, weil sie noch vor meiner Geburt starben. Meine beiden Eltern wurden sehr früh Waisen und mussten irgendwie für ihren eigenen Unterhalt sorgen. Mein Vater, (in seiner Familie) waren sie drei Brüder und eine Schwester. Meine Mutter hatte eine Schwester und einen jüngeren Bruder.
  2. Jeder schaute, wie er überleben konnte, die Zeit war damals schwer. Es waren die ersten Jahre nach der Revolution, es gab Hunger und wenig Arbeit. Mein Großvater mütterlicherseits – das weiß ich von meiner Mutter – wurde von einer Bande getötet auf dem Weg ins Dorf, er wollte Sachen gegen Lebensmittel tauschen.
  3. Er fuhr mit einer Gruppe dahin, in der Stadt mangelte es an Lebensmitteln. Die Leute fuhren ins Dorf und kauften dort ein. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Dorf wurden sie von der Bande ermordet.
  4. Dann heiratete die ältere Schwester meiner Mutter sehr glücklich einen wohlhabenden Mann. Meine Mutter brachte den jüngeren Bruder zu einer Tante im Dorf, denn es war unmöglich, ihn in der Stadt zu lassen. Sie selbst arbeitete als Hausmädchen bei einer Familie.
  5. In diesem Sinne hatte sie viel Glück, die Familie war sehr gut. Man kann sagen, sie war wie ein Familienmitglied. Sie lernte da viel, sie war beinahe noch ein Mädchen, als sie dahin kam. Sie lernte an der Nähmaschine nähen und Frauenkleidung schneidern. Das sollte ihr und unserer Familie in Zukunft sehr helfen.
  6. Mein Vater musste in einer Bäckerei anfangen als Lehrling oder Gehilfe. Er arbeitete dann als Bäcker und danach trat er einer der damals zahlreichen Genossenschaften bei. Das waren wirtschaftlich relativ unabhängige Betriebe, sie versorgten sich mit Rohstoffen und verkauften selbst eigene Produktion.
  7. Nach meiner Geburt fanden meine Eltern ein Haus, wo ein Aufbau gebaut werden konnte. So hätten sie eine eigene Unterkunft. Das war in einem typischen Hof in Odessa, das Haus dem Tor gegenüber hatte nur ein Stockwerk. Sie bauten darauf zwei Zimmer und eine kleine Küche, eine Treppe führte dahin. Mein jüngerer Bruder wurde bereits in der neuen Wohnung geboren, das war 1938.