Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Meine Mutter wurde 1908 in Wilna geboren, in Litauen. Die ganze Vorkriegszeit, d.h. ihre Kindheit, verbrachte sie in Potschep, wo später ihre Eltern lebten. Das ist eine kleine Stadt, wo sehr viele Juden lebten.
  2. Also, sie lebte meistens in Potschep. Mein Papa wurde in Tula geboren. Das ist eine bekannte Stadt bei Moskau, die sich auch ihrer Rüstungsbetriebe usw. rühmt. Etwa mit 15 oder 17 Jahren zog er aus Tula nach Moskau, um selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
  3. Denn die Familie war groß, hatte etwa sechs Kinder. Und jeder musste selbstständig arbeiten, ohne den Eltern zur Last zu fallen. Daher zog er in diesem Alter nach Moskau und begann in dem Beruf zu arbeiten, den er sein Leben lang ausübte. D.h. er war Fachmann für Metallbearbeitung: Fräser, Dreher, Schleifer und Schlosser.
  4. Er beherrschte seinen Beruf so (gut), dass er manchmal als Meister eingesetzt wurde. D.h., er leitete ein großes Kollektiv, das Maschinen und Werkzeuge fertigte.
  5. Neben der Arbeit hatte er in Moskau ein Hobby: Er besuchte interessante Veranstaltungen und war ehrenamtlich Journalist. Er war wissbegierig und hatte sehr viel in Moskau gesehen, u.a. Theater, Museen und das Kulturleben, was heute historisch interessant ist.
  6. So arbeitete er bis zum Krieg im Werk „Der Fräser“. Und Mama war Buchhalterin von Beruf und arbeitete in der Regel in den Werken, wo mein Papa arbeitete. Der Buchhalterberuf war nicht besonders gefragt, aber sie war eine gute Fachfrau, sehr genau, und genoss Anerkennung auf der Arbeit.
  7. Wie haben Sie sich kennengelernt? – Ich traue mich nicht, genau zu sagen, wie es war. Aber es war wohl so: Jemand von Vaters Bekannten empfahl ihm: Es gibt eine sehr gute Frau, hübsch und bescheiden. In den jüdischen Familien war es sehr wichtig, dass junge Frauen keine besonderen Vorbekanntschaften mit Männern hatten.
  8. Und in diesem Fall… Mama hatte vor Papa keine Kavaliere. Papa hatte schon seine Freundinnen, da er sehr aktiv war und Urlaub in Sotschi oder auf der Krim machte. So hatte er Urlaubsbekanntschaften. Und Mama war ein artiges Mädchen. So haben sie sich kennengelernt. Sie gefiel Papa gleich. Und allgemein hatte Mama ein Engelsgemüt, sie konnte immer für eine harmonische Atmosphäre sorgen, damit Papa und wir Kinder uns sehr gut fühlten.