Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Etwa fünf oder sieben Jahre, bevor wir kamen, fuhren unser Sohn Michail und seine Frau nach Paris, auf Einladung einer Bekannten. In Paris gefiel es meiner Schwiegertochter Shanna so sehr, dass sie sagte: „Ich möchte hier bleiben.“
  2. Mein Sohn als ein Mensch, der immer einen Ausweg findet, sorgte für eine Aufenthaltserlaubnis für Paris. Sie riefen uns an und sagten, wir sollen ihre Tochter und unsere Enkelin dorthin bringen. Ich tat es auch, und sie begannen sich in Paris einzurichten.
  3. Aber… Wir besuchten sie einmal in Paris, und das war sehr schwierig. Das hatte auch mit meiner Arbeit zu tun, wegen Baikonur und insgesamt meiner Position.
  4. Und ich arbeitete außerdem so viel: Als ich nach Deutschland kam, hatte ich noch elf Monate Urlaub. D.h. ich machte elf Jahre lang keinen Urlaub. Um hierher zu kommen, nahm ich diese elf Urlaubsmonate und noch ein Jahr unbezahlten Urlaub.
  5. Ich dachte: Ich richte mich hier ein und werde hier und dort arbeiten. Also wegen der Schwierigkeiten, die Familie zu sehen… Und er (der Sohn) konnte nicht mehr nach Russland kommen.
  6. So beschlossen wir, uns näher bei Paris niederzulassen, um problemlos nach Paris fahren zu können. Das erstens. Zweitens: Unsere Freunde, die früher in Tschernigow in einem sehr großen Radiowerk gearbeitet hatten, schickten uns einen Brief: Sie waren nach Deutschland ausgewandert und wohnten in einer Notunterkunft.
  7. Sie erzählten uns über ihre Lage. Für uns war das eine Offenbarung, wir hatten nichts davon gewusst, obwohl viele bereits ausgewandert waren. Meine Arbeit war aber sehr anstrengend und ich sagte zu meiner Frau: „Mila, kümmere dich doch um die Sache.
  8. Schau mal, ob das geht, in Deutschland und in Russland zu leben. Das Leben ist ja kompliziert und es ist ungewiss, wie es hier in Russland aussehen wird. Solange wir gesund sind, geht das noch und dann…
  9. Wenn du nichts zu tun hast, kümmere dich doch um diese Frage.“ Sie besorgte die Dokumente und reichte sie ein. Ein Jahr später erhielten wir die Einladung, nach Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern zu kommen.
  10. Ich lebte damals sehr gut, hatte eine hervorragende Arbeit und ein hervorragendes Gehalt, eine gute Wohnung, eine Datscha usw. Dennoch beschlossen wir, näher bei der Familie zu leben. Das war das Wichtigste, warum wir hierher kamen. Übrigens fiel unser Werk einige Jahre nach meiner Kündigung zusammen. Es wurde verkauft und umgestellt.
  11. Mein Büro galt bis zuletzt als Gedenkstätte. Denn es war so ausgestattet, dass man dort sogar eine Blockade hätte überleben können. Ich hatte dort Porzellan und Sofas, kurz gesagt, ich konnte dort Tag und Nacht arbeiten. Jedenfalls fiel das Werk zusammen, heute gibt es dort nichts mehr.
  12. Und wir taten das Richtige, das erstens. Und zweitens und das Wichtigste: Ich arbeitete so viel, dass mir dann klar wurde: Ich werde bald 60, das Leben ist kurz, und ich muss in diesem Leben noch einiges erleben – Theater und Museen besuchen und Europa sehen. Amerika zog mich nie an.
  13. Und das wäre nur dann möglich, wenn ich hier lebe. Das war einer der wichtigsten Gründe. Nach der Ankunft hier boten mir viele Bekannten Arbeit an, auch hier in Deutschland: „Lass uns zusammenzuarbeiten, dein Kopf und unser Geld… Wir werden kooperieren.“ Ich sagte: „Nein. Ich widme die restliche Zeit nur den Hobbys. Ich werde den Juden hier von Nutzen sein, mit meiner dort gewonnenen Erfahrung.
  14. Ich werde den Leuten helfen, d.h. meine Erfahrung zunutze machen.“ Dem wollte ich mein Leben widmen. Und ich beschäftige mich damit: Hobbys und verschiedene Hilfeleistungen.