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Ich habe vergessen zu sagen: In der Sowjetunion war das Leben nicht besonders leicht, insbesondere für Frauen. Ich arbeitete in der Schule, und viel Zeit raubte nicht nur der Unterricht, sondern alle möglichen Versammlungen: Eltern- und Parteiversammlungen, offene und geschlossene. Und dazu die Gewerkschaftsversammlungen, es war eine Menge.
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Und zweimal wöchentlich gab es eine Besprechung beim Direktor. Niemand achtete darauf, dass die Frauen eine eigene Familie haben und sich um sie kümmern müssen. Das war keinem wichtig. Nach der Arbeit musste man Lebensmittel besorgen und Schlange stehen. Wir standen mindestens eine Stunde lang, um ein Stück Wurst usw. zu kaufen.
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Dann kamen wir nach Hause und wussten nicht, was als Erstes tun. Und danach musste ich den Unterricht vorbereiten, anders ging es nicht, ich musste auf dem Laufenden sein. Ich bezog die Zeitung „Prawda“ und Zeitschriften und darin las ich alle Partei- und Regierungsbeschlüsse und die Vorträge aller unserer Leiter.
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Ich las über die Ereignisse im Ausland, denn wir hatten das Fach Neuere Geschichte. So hatte ich absolut keine Freizeit. Ich schenkte meinen Kindern sehr wenig Aufmerksamkeit und es ist ein Glück, dass sie anständige normale Menschen wurden.
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Die Arbeit war die Hauptsache, weil uns beigebracht wurde: Denke zuerst an die Heimat und erst dann an dich selbst.
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Wir verdienten sehr wenig. Die Lehrer waren die am schlechtesten bezahlte Bevölkerungsgruppe. Es gab aber Gruppen, die noch schlechter verdienten. Wir waren aber irgendwie wegen des Geldes nicht betrübt. Ich erinnere mich, dass ich eher wegen der fehlenden Freizeit betrübt war.
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Und trotzdem gab es auch viel Positives. Die Leute waren nicht neidisch, alle führten ein ärmliches Leben. Bei uns kam es vor, dass eine Lehrerin ein Kleid oder ein Kostüm das ganze Schuljahr trug. Männer hatten überhaupt nur einen Anzug, der war speckig vom Dreck und so.
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Die Kinder trugen eine Schuluniform und viele hatten keine zum Wechseln. Sie wurde gewaschen und weiter getragen. Man hatte kein Geld. Trotzdem hatte die Sowjetunion auch ihre guten Seiten. Es gab keine Reichen und Armen, alle führten das gleiche Leben. Wer aber zu Gebrauchsgütern Zugang hatte oder eine höhere Position bekleidete, lebte wohl anders als wir.
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Die Mehrheit lebte aber genauso wie wir. Das einzige, was mich betrübte, war die fehlende Freizeit, die nötig war, um meinen Kindern Aufmerksamkeit zu schenken. Gott sei Dank wurden sie gute Menschen.
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Es gab jedoch auch eine positive Seite. Die Leute waren zueinander gütig, respekt- und sogar liebevoll. Sie taten sich zusammen und feierten Geburtstage und Feste. In unserer Schule z.B. feierten wir immer gemeinsam den Tag der Roten Armee, den Frauentag am 8. März und die Revolutionsfeiertage.
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Die Leute waren freundlich. Außerdem waren Ordnung und Disziplin gut. Ich hörte z.B. nie, dass jemand in der Stadt ermordet wurde, dass die Wohnungen ausgeraubt werden. Es gab natürlich Taschendiebe. Die Straßenbahnen waren überfüllt, und sie zogen die Geldbörsen aus den Taschen. Oder sie zerschnitten die Taschen, solche kleinen Diebe gab es.
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Von Raub und Mord in unserer Stadt hörte ich aber nicht. Und alle arbeiteten. Wir Klassenlehrer mussten über jedes Kind Bericht erstatten. Wenn eines z.B. die achte Klasse beendet hat, mussten wir in der Stadtverwaltung melden, was es weiterhin macht – Ausbildung oder Arbeit.
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Auch nach der zehnten Klasse berichteten wir über jeden Schüler. Alle mussten eine Ausbildung machen oder arbeiten. Übrigens war das sowjetische Bildungssystem sehr gut. Dabei wurde nicht nur gelehrt, die Erziehungsarbeit wurde auch großgeschrieben.
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Wir arbeiteten viel mit den Schülern, machten Ausflüge, Abendveranstaltungen und förderten die Laienkunst. Also, unser Leben in der Schule war interessant und die Kinder erwarben gute Kenntnisse.
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Ich spürte absolut keinen Antisemitismus, in Bezug auf mich. Mir wurde sogar angeboten, stellvertretende Direktorin für den Schulunterricht zu werden. Ich lehnte es ab, denn das war eine Arbeit, wo man die ganze Zeit Berichte schreiben musste.
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Ich wollte als Lehrerin arbeiten. Als mein Sohn aber 1967 die Aufnahmeprüfungen am Polytechnischen Institut in Cherson machte – er war in der Schule gut gewesen –, bekam er zwei Zweier und eine Eins – in Mathe und Physik.
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Ich hatte Nachhilfelehrer für ihn engagiert, und er war gut vorbereitet. Jedoch bei der Prüfung in russischer Literatur, für den Aufsatz, bekam er eine Fünf. Ich weiß noch, während der Prüfung war ich in der Nähe des Instituts. Ich sah die Lehrer für Russisch und Literatur gehen, die die Prüfungen abnahmen und die Aufsätze kontrollierten.
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Ich sah unter ihnen meine Bekannte, wir waren zusammen am Institut gewesen, sie hat Literatur studiert. Ich fragte sie: „Mein Sohn hat die Prüfungen gut bestanden. Warum hat er eine Fünf für den Aufsatz? Hatte er etwa das Thema nicht getroffen?
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Er sagte mir, er hätte gut gewusst, was er schreiben sollte.“ Sie sagte: „Die Arbeiten jüdischer Kinder wurden beiseite gelegt und uns wurde gesagt, dass diese Arbeiten mit einer Fünf benotet werden müssen.“
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Sie begann zu weinen und sagte: „Warum hast du mir kein Blatt mit seiner Handschrift gegeben? So hätte ich seine Arbeit erkennen können. Ich hätte niemals zugelassen, dass er eine Fünf bekommt.“
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Mit mir zusammen war eine Frau, deren Junge auch eine Fünf bekommen hatte. Wir gingen zum Institutsdirektor und sagten: „Schauen Sie, wie gut die Jungen die Prüfungen bestanden haben. Warum bekamen sie dann eine Fünf, ihre Aufsätze sind nicht so schlecht.
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Sie wissen das doch selbst. Man hat vermerkt, dass sie das Thema nicht getroffen hätten. Aber wieso, was haben sie denn geschrieben, das war doch fehlerlos.“ Er sagte: „Was wollen Sie denn? Ich habe eine Anweisung von oben, dass ich nur zwei Prozent aufnehmen kann.
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Ihre Kinder gehören nicht zu diesen zwei Prozent.“ Ich bemerkte, dass es ihn selbst betrübte, er konnte aber nicht anders handeln. So wurde mein Sohn am Institut nicht aufgenommen. Danach war er zwei Jahre in der Armee.
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Nach der Armee ging er an ein anderes Institut. Denn in der Zeit wurde die Fakultät für Hydromelioration beim Institut für Landwirtschaft eingerichtet. Er absolvierte die Fakultät und arbeitete danach. Und hier arbeitet er fast in seinem Beruf bei einer Baufirma.
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Im Januar wird mein Sohn 60. Meine Tochter erhielt meinen Nachnamen, weil der Name meines Mannes Altholz ist – altes Holz. Ich wollte, dass meine Tochter Revniaga heißt, damit sie studieren konnte. Denn der Name konnte manchen missfallen.
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Sie wurde ungehindert zum Physik- und Mathestudium an der Pädagogischen Hochschule zugelassen. Sie arbeitete dann in der Schule und noch woanders. Und hier absolvierte sie den einjährigen Kurs für Programmierer und arbeitet nun erfolgreich in einer Versicherung in Düsseldorf.
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Vor Kurzem war der 10. Jahrestag ihrer Arbeit. Ihr wurde dazu gratuliert und sie bekam Blumen und noch etwas.