Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Vor der Abreise kam ich zu meiner Freundin. Übrigens war ihr Name Roit. Und Ihr Name ist Reuter? Sie hieß Sima Roit. Ich sagte zu ihr: „Sima, wir fahren fort. Und ihr?“
  2. Sie sagte: „Nein, wir können es nicht. Wir haben zwei alte Großmütter.“ Außerdem war ihre ältere Schwester mit einem Baby angekommen. Deren Mann war in der Armee und sie kam mit dem Kind zu den Eltern. So sagte sie: „Wir können nicht fortfahren.“
  3. Sima begleitete mich zum Abschied. Dann küssten wir uns und gingen auseinander. Ich weiß noch, wir drehten uns immer wieder um und winkten uns mit der Hand zu. So verabschiedeten wir uns für immer. Sima und ihre ganze Familie wurde erschossen. Das bekam ich 1949 mit, als ich nach Winniza kam, um das Schicksal meiner Freundinnen zu erfahren.
  4. Als ich 1949 in Winniza war, hörte ich folgende Geschichte: Die Schwester wickelte das Kind ein und legte einen Zettel hinein: Name und Vorname, Geburtsjahr und Name des Vaters. Sie brachte das Kind auf den Friedhof und ließ es liegen.
  5. Sie selbst ging mit den anderen zur Erschießung. So wurde das Kind gerettet, eine Frau las es auf und nahm bei sich auf. Während des Krieges gab es viele edelmütige Menschen, die jüdische Kinder und Juden überhaupt retteten.
  6. Ich hörte noch: Nach dem Krieg kehrte der Vater von der Front heim, und man sagte ihm, dass sein Sohn lebe. Er fand seinen Sohn, das war das Einzige, was ihm nach dem Krieg noch blieb. Ihr weiteres Schicksal kenne ich natürlich nicht.
  7. Ich hatte noch eine Freundin, Betja. Sie waren zwei Töchter und die Eltern. Der Vater handelte sehr klug, er spürte irgendwie gleich die Gefahr.
  8. Er besorgte Papiere, dass sie nicht Juden, sondern Ukrainer sind. Sie kamen dann in ein Dorf, wo sie keiner kannte. Mir wurde erzählt: Sie trugen Kopftücher und sprachen nur Ukrainisch und ihre Papiere waren in Ordnung.
  9. So überlebten sie den Krieg, keiner schöpfte Verdacht, dass sie Juden sind. So rettete der Vater das Leben seiner Familie.