Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Unsere Familie war groß und arm, aber sehr anständig. Wir waren acht Kinder, ich nenne alle: Genja, Kusja, Rachil, David, Rosa, Mascha, ich und Isaak. Wir waren arm, unser Vater wurde vierzehnmal verwundet. Er kämpfte schon 1905 im japanischen Krieg und wurde bei Mukden verwundet. Eine weitere Verwundung erlitt er 1920 bei Warschau, als Tuchatschewskij gegen die Polen kämpfte. So konnte er kaum Geld verdienen.
  2. Meine Mutter war eine gute Schneiderin und musste alle Kinder ernähren, sie war praktisch die Stütze des ganzen Haushalts. Wir hatten nicht einmal genug Brot und waren sehr arm. Mit sieben Jahren ging ich in die Schule und beendete mit 14 die 7. Klasse. Dann fuhr ich mit meinem Freund Sascha Kokin nach Odessa und wir wurden am Technikum für Maschinenbau aufgenommen. Davor hatten wir keine Unterkunft, schliefen auf dem Feldman-Boulevard und aßen die Essensreste vom Markt Priwos.
  3. Wir gingen zum Direktor des Technikums Plisfeder, das war am 16.8.1934... Daran kann ich mich erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Wir schilderten ihm unsere Lage und er fragte uns: „Wollt ihr die Aufnahmeprüfungen machen?“ Ich hatte nur die besten Noten im Zeugnis und wurde gleich eingeschrieben. Sascha legte die Prüfungen ab und war auch dabei. Der Direktor gab jedem von uns 20 Rubel von seinem eigenen Geld. Später erhielten wir 56 Rubel Stipendium monatlich.
  4. 20 Rubel wurden fürs Wohnen einbehalten, und von den 36 Rubel mussten wir leben und Kleidung kaufen. Wir aßen in der Kantine. Die Suppe kostete 36 Kopeken, das Hauptgericht 53, ein Glas Kompott neun Kopeken. Wir nahmen nur die Suppe und Brot, für mehr fehlte uns das Geld. Ich beendete das Technikum mit Auszeichnung und erhielt Arbeit im Werk „Oktoberrevolution“ in Odessa. Das war das Werk für Landwirtschaftsmaschinen, es hatte aber eine geheime Abteilung. Ich arbeitete da drei Monate als Hallenmeister.