Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Eigentlich wollte ich nicht (darüber sprechen). Nun, es war eine Strafkolonie strengen Regimes. Und ich arbeitete als Produktionsleiter in dieser Kolonie. Ich war für die Arbeitsorganisation der Insassen in der Kolonie verantwortlich.
  2. Ich musste sehr viel arbeiten, 12 Stunden täglich. Auch samstags und manchmal auch sonntags. Denn ich war nicht nur Produktionsleiter, sondern auch Offizier. Einmal wöchentlich musste ich zum Wecken kommen. Die Ironie des Schicksals bestand darin, dass die Strafkolonie sich im Heimatdorf meines Vaters befand. Auf dem täglichen Weg zur Arbeit fuhr ich am Haus vorbei, wo mein Vater und die Großeltern gewohnt hatten.
  3. Um ein Mal wöchentlich um 6:45 Uhr zum Wecken da zu sein, musste ich kurz nach sechs das Haus verlassen. Ich war beim Wecken anwesend und arbeitete dann dem Tagesablauf entsprechend und ging normalerweise um 20 Uhr nach Hause. Und an den Tagen, als ich bis zur Nachtruhe blieb… Also ein Tag Dienst ab dem Wecken und ein Tag bis zur Nachtruhe. Wenn ich bis zur Nachtruhe bleiben musste, kam ich um 8 Uhr und war zu Hause um 23.30 Uhr.
  4. Samstags und sonntags hatte ich 24-Stunden Dienst, an Festtagen gab es verstärkte Bewachung usw. Und meine Beschäftigung war: Ich organisierte die Arbeit und besuchte die Werke. Wir hatten keine eigene Produktion an sich. Wir hatten Verträge mit dem Lepse-Werk in Kiew, da wurden Bauteile für Traktoren hergestellt. Und auch mit dem Motorrad- und dem Reduziergetriebewerk in Kiew, mit dem Werk für Elektrogerätebau und dem Werk „Sportvereinigung“.
  5. Das waren verschiedene Werke, denn wir mussten die Sträflinge ihrer Gesundheit entsprechend beschäftigen. Wer keine Schwerarbeit leisten konnte, arbeitete in der Nähhalle und nähte Sportschuhe. Und wer gesund und Schwerkrimineller war, der arbeitete u.a. im Steinbruch. So war meine Arbeit. Ich musste die Arbeit aller Hallen abstimmen und den Kontakt zu den Zulieferern halten. Sie lieferten uns Baustoffe, und wir mussten rechtzeitig (produziert haben). Im Motorradwerk wurde am Fließband gearbeitet, wir lieferten ihnen Beiwagengestelle.
  6. Alle diese Gestelle wurden bei uns hergestellt. Damit das Fließband nicht anhält, mussten wir sie rechtzeitig beliefern. Manchmal schafften wir das nicht, und dann kam der Direktor des Motorradwerkes nachts zu mir nach Hause. Ich musste mit ihm in die Strafkolonie fahren und nachts das Beladen eines Lkws organisieren. Ich musste einen Fahrer kommen lassen und eine Genehmigung einholen, damit der Lkw nachts auf das Anstaltsgelände kommen darf. Das war schwierig wegen der Fluchtgefahr. All das musste gemacht werden.