Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Zu meiner Arbeit. Die Arbeit war natürlich schwer. Denn ich war mal drei Monate, mal sechs und einmal neun Monate in der Mongolei oder im Iran, als da noch der Schah war.
  2. Also, ich beschäftigte mich meistens mit der Pest, dann mit Cholera. Cholera Asiatica, weil alles aus Indien kam, da gab es immer Cholera. Sie verbreitete sich als Pandemie auf der ganzen Welt, in Europa und Amerika.
  3. Ich beschäftigte mich auch mit dem Milzbrand. Ich züchtete als Erster weltweit Milzbranderreger von Kamelen, das war 1958. Alle Publikationen über Milzbrand beginnen mit der Aufzählung von Tieren, die an Milzbrand erkranken: Hornvieh, Pferde und Kamele. Und da steht: „Punskiy, 1958“.
  4. Ich veröffentlichte in den Moskauer Fachzeitschriften. Denn sonst wäre das nicht bekannt geworden. Und so kam es in die „Zeitschrift für Mikrobiologie, Epidemiologie und Immunologie“, das Wichtigste im Artikel wurde auch auf Englisch zusammengefasst.
  5. Als diese Artikel ins Ausland kamen, wurde ich vom französischen Institut Pasteur und von den Japanern gebeten, den ganzen Artikel zuzuschicken. Beim letzten Mal hatte ich sogar Sorge – gut, dass die Perestroika schon begann. Ich erhielt einen Brief aus dem Pentagon: „Professor Punskiy, schicken Sie uns die Kurzfassung.“
  6. Ich war damals schon Professor. In den sozialistischen Staaten wurden (meine Artikel) einfach neu aufgelegt, ohne dafür zu zahlen. China, die Tschechoslowakei und Ungarn fragten den Autor nicht einmal. Ich hatte nichts davon. Also, ich wurde ein bedeutender Wissenschaftler.
  7. Und was interessant war: Nachdem ich die ersten Artikel veröffentlicht hatte, schrieb André Mollaret, Pestspezialist vom Institut Pasteur… Meine Adresse war (sonst) so angegeben: „Aschchabad, Y. Punskiy“. Er schickte (aber) so einen Brief: „Turkmenistan, Aschchabad, Universität…“ Denn die ganze Wissenschaft ist meistens bei den Unis angesiedelt. „An Professor Punskiy.“ (Doch) ich war damals noch kein Professor, nicht einmal promoviert. Ich war da ein einfacher Arzt.
  8. Außerdem hielt ich die ganze Zeit ehrenamtlich Vorlesungen am Lehrstuhl für Infektionskrankheiten des medizinischen Instituts. Auch über HIV bzw. AIDS. Ich schrieb das erste Buch über HIV für die Mediziner in Turkmenistan: Nachweise führen, Proben nehmen usw.
  9. Meine Frau studierte erst vier Jahre am 1. Medizinischen Institut in Moskau und setzte ihr Studium in Turkmenistan fort. Sie war eine brillante Studentin, wurde Doktorandin und promovierte. Danach war sie Dozentin und leitete all die letzten Jahre den Lehrstuhl für Infektionskrankheiten – bis ein habilitierter Kollege kam.
  10. Meine Kinder beendeten das Turkmenische Medizinische Institut. Mein Sohn trat in meine Fußstapfen, er wurde promoviert und leitete da ein Labor. Meine Tochter wurde Internistin und arbeitete im Diagnosezentrum.