Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wie brach der Krieg aus? Das ist sehr interessant. Wir saßen zusammen, tranken Tee und hörten eine Ansage: Es spricht Molotow. Wir wunderten uns: Wie kommt das? Er sagte: Deutschland hat uns überfallen. Damit hatten wir nicht gerechnet, wir hofften, einen Krieg werde es nicht geben. Stalin hatte ja von einem unterzeichneten Friedensvertrag gesprochen, es würde nichts passieren. Gleich nach der Bekanntgabe liefen wir Jungs natürlich zum Kriegskommissariat, alle wollten zur Armee. Man sagte uns: „Weg hier! Verschwindet! Ihr seid zu jung.“ Wir waren 16–17 Jahre alt.
  2. Meine Eltern und eine Schwester arbeiteten im Hospital. Das war ein großes Hospital, die Verwundeten kamen aus allen Richtungen. Wir Jungs liefen einfach herum. Plötzlich hieß es: „Fahrt gleich weg, die Deutschen sind schon in Poltawa.“ – „Mein Gott, das sind nur noch 100 Kilometer!“ Das Hospital stellte umgebaute Güterwagen zur Verfügung. Unsere Familie und die Familie meiner Schwester fuhren dann ab, ohne zu wissen wohin. Man sagte: Richtung Osten, dann schauen wir mal.
  3. Unterwegs wurden wir die ganze Zeit heftig bombardiert. Waren die Flugzeuge weg, kamen gleich andere. Der Lokführer fuhr mal vor, mal zurück. Die Fahrt war sehr beschwerlich. Das einzige, was wir holen konnten, war heißes Wasser. Uns ging es nicht gut, eigentlich waren wir nicht reich, das Leben war schwer. Wir kamen nach Lissak und erfuhren, dass wir nicht direkt nach Moskau fahren können. Wir mussten einen Umweg nehmen. Wir fuhren über den Ural nach Omsk – nicht direkt Omsk, sondern Nasywajewka in der Nähe, wo es ein großes Getreidesilo gab. Und auch ein Hospital, da war meine Familie untergebracht.