Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Beginnen wir ab ovo, d.h. von Anfang an. Durch meine Eltern ist meine Geschichte ungewöhnlich. Denn mein Vater war ein Deutscher, ein Berliner namens Willi Riewe. Er kam Anfang der 1930er-Jahre als Fachmann in die Sowjetunion und lernte meine jüdische russische Mutter Sara Ioffe kennen.
  2. Das war 1934 in Noworossijsk. Zunächst arbeitete er in einem Traktorenwerk in Stalingrad. Er war drei Jahre da, erkrankte an Typhus und beschloss, es sei lange genug, und wollte dann zum Schwarzen Meer.
  3. In Noworossijsk arbeitete mein Vater als Ingenieur im Konstruktionsbüro am Hafen. Und meine Mutter arbeitete da als Zeichnerin. Sie machte auf ihn einen unwiderstehlichen Eindruck, unser Deutscher verliebte sich und war verloren. 1934 haben sie geheiratet, ein Jahr, nachdem sie sich kennengelernt hatten.
  4. Zwei Jahre später kamen sie in einen anderen Ort bei Nischnij Nowgorod, damals Gorkij. Er hatte eine gute Arbeitsstelle da – war leitender Technologe in einem kleinen Werk, das Ersatzteile für das große Autowerk in Gorkij lieferte, wo die ersten russischen LKWs gebaut wurden.
  5. . Sie hatten einen Raum in einer Baracke, den meine Mutter in Ordnung hielt. Und dort wurde ich geboren – in Pawlowo-na-Oke, am 1.6.1937. Das war ein schreckliches Jahr.
  6. Einmal sagte Mandelstam, der 1891 geboren wurde: „Ich wurde in dem unsicheren Jahr '91 geboren, und die flammenden Jahrhunderte umringen mich“. 1937 war viel unsicherer, wie es sich herausstellte.