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Ich besuchte zunächst die eine Schule, dann eine andere. Und ich spürte wieder keine Unterdrückung aufgrund meiner Herkunft. Es passierte Manches, ich persönlich spürte das aber nicht. Ich spürte es, als wir studieren wollten. Ich versuchte an das Polytechnische Institut in Charkow zu kommen, wo mein Papa den Abschluss gemacht hatte.
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Auch unser Sohn machte da seinen Abschluss und später unsere Enkel. Ich legte die Aufnahmeprüfungen 1949 ab. Anscheinend bestand ich sie gut. Und wir meldeten uns für das Fach Turbinen an, ich auch, und dank der Turbinen lernten Nellja und ich uns dann kennen. Die Turbinen also.
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Dann wurden die Listen (für die Studienfächer) angeschlagen. Ich war nicht auf der „Turbinen-“, sondern der „Kesselliste“. Dann klärte es sich auf: Alle Juden, die das Fach „Turbinen“ studieren wollten, wurden im Fach „Kessel“ immatrikuliert. Denn für ein Turbinenstudium hatte es viele Mitbewerber gegeben und für das Kesselstudium keine.
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Man versuchte uns später die Sache so zu erklären: „Ja, es ist halt deswegen, weil ihr Juden seid. Macht euch aber keine Sorgen. Ein Jahr vergeht und wenn ihr beim Kesselstudium gut seid… Nach einem Jahr haben wir normalerweise Abgänge. Und wenn das der Fall sein sollte, kommt ihr zu einem Turbinenstudium.“ So kam es auch, wir studierten ein Jahr das Fach „Kessel“ und dann wechselten wir, sechs Juden, zum Turbinenstudium.
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Wir studierten da weiter und 1954 machte ich den Abschluss am Institut. Ich machte bei der Laienkunst mit, all die Jahre sang ich im Chor. Und davor bin ich im Radio aufgetreten, ich hab da auch gesungen. Im Chor des Polytechnischen Instituts war ich Sprecher. Da waren 80 Leute im Chor, und wenn die Tanzgruppe auftrat, waren wir sogar 100 oder 120. Wir traten auf etlichen Parteiveranstaltungen auf. Ich war ein guter Student. Ich habe zwar ein Diplom ohne Auszeichnung, aber ich hatte mal nur die besten Noten, mal auch Zweier.