Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Die Sache war so: Von diesem Teil unserer Biografie, von dem, was während des Krieges passiert war, erzählten wir nie. Zum ersten Mal habe ich davon 1995 berichtet. (Früher) wusste keiner davon. Wir erzählten dies (nur) unseren überlebenden Verwandten. Mein Onkel kannte unsere Geschichte und sagte: „Sie muss aufgeschrieben werden.“ Er starb aber später. Wir aber versuchten das zu vergessen, erzählten niemandem etwas.
  2. Eines möchte ich sagen: Als Mama arbeiten ging, kam meine Tante, Vaters Schwester, sie hatte fünf Kinder. Ihr Häuschen war nicht zerstört und sie nahm uns bei sich auf. Und (wie) wir wohnten… Alles fror fest, wir lagen zu viert in einem Eisenbett. Das Fenster war ganz zugefroren, so wohnten wir bei ihr.
  3. Später arbeitete meine Mutter in einer Militäreinheit und wir… Ja, das Wichtigste war: Mama gab (da) offenbar an, dass wir im besetzten Gebiet gewesen waren. Sie arbeitete in einer Militäreinheit und wir bekamen da eine Unterkunft, dann eine zweite. Mama berichtete genau, wie es gewesen war.
  4. Und 1947 wurde dem Ältesten dieses Dorfes (wo wir gewesen waren) der Prozess gemacht, Mama wurde beim KGB vorgeladen. Denn er hatte seine Taten beschrieben und behauptet: „Bei mir hat eine jüdische Familie überlebt.“ Er hatte unsere Namen genannt. Mama wurde zum KGB vorgeladen und sagte vor Gericht aus: „Ja, er hat uns Papiere gegeben, er hat uns gerettet.“ Er bekam dann zehn Jahre – Jewmen, hieß er. Also, obwohl er uns geholfen hatte, zehn Jahre, aber immerhin nicht mehr, vielleicht bekam er mildernde Umstände zuerkannt.
  5. Doch gerade wegen dieses Vorfalls mussten wir beweisen, dass wir dort (in dem Dorf) gewesen waren. Seit 1999 erhalten wir – als Holocaust-Opfer – 250 Euro monatliche Unterstützung, steuerfrei. Wir hatten (damals) Zeugen, Tante Dunja lebte noch. Jedoch genügte das nicht, wir mussten Dokumente vorlegen. Aber was für ein Dokument konnte es geben, so wie alles war? Wir schrieben den KGB an und sie antworteten: „Wir haben keine Dokumente dazu.“
  6. Plötzlich entsann sich meine Schwester, dass Mama (früher) vor Gericht geladen war. Sie schickte ein Schreiben an den KGB: „Mama wurde in dem Jahr vorgeladen, als Jewmen angeklagt wurde.“ Von Tante Dunja hatten wir seinen Namen erfahren. Wir bekamen dann einen Auszug aus dem Gerichtsprotokoll und der war die wichtigste Beweisgrundlage für das, was uns passiert war. Dass wir wie durch ein Wunder überlebt hatten.