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Bereits Anfang Juli kamen die Gerüchte auf: Die Truppen seien bereits in Bessarabien und würden sich Richtung Chisinau bewegen. Wir beschlossen dann, in die Evakuierung zu gehen. Mein Vater war nicht im Staatsdienst, wir auch nicht, deswegen waren wir von der organisierten Evakuierung ausgeschlossen. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg, das war am 6. Juli 1941.
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Wir dachten, dass wir nur für eine Woche weggehen müssten, alles würde bald enden. Wir ließen unserer Katze etwas Milch da und etwas zu fressen und dachten, dass wir bald zurückkehren würden. Wir gingen dann Richtung Dnestr, das waren 20 Kilometer. Die Straße war voller Leute.
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Ich habe vergessen zu sagen, dass Chisinau vor dem 6. Juli sehr stark durch Bomben zerstört wurde. Besonders stark war ein Treibstofflager getroffen und es brannte lichterloh, nachts war es hell wie am Tage. Die Stadt war ja nicht groß. Auch Häuser brannten und es war bereits zu sehen, dass etwas Ernsthaftes im Gange war.
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Am Dnestr wurden wir heftig von deutschen Flugzeugen bombardiert. Wir waren an dem Ufer, wo kein Wald war, wobei das andere Ufer bewaldet war. Deswegen gaben wir unser letztes Geld einem Bauern, der ein Boot hatte. So kamen wir ans andere Ufer in den Wald. Wir waren dann auf der anderen Seite, unser Vater und die Tante waren aber nicht mehr dabei. Wir wollten uns aber retten, deswegen… Wir blieben einen Tag am Ufer, wurden dann wieder bombardiert. So gingen wir weiter.
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Wir gingen durch die Ukraine, Richtung Ananjew, Pomoschnaja und Snamenka. Das war in der Nähe des Flusses Bug, wir kamen zu Fuß dahin. Aus dieser Zeit erinnere ich mich an schwarze Menschenströme auf den Straßen. Und diese Ströme wurden von Flugzeugen beschossen. Manche Jagdbomber flogen sehr tief, sie berührten buchstäblich die Maisspitzen. Während der Luftangriffe versteckten wir uns im Mais und hörten (dieses Geräusch).
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Da ist mir noch etwas Schreckliches in Erinnerung geblieben: Die Flugzeuge hatten nach dem Einsatz noch Bomben, sie mussten sie als Ballast abwerfen. Und sie warfen sie auf uns ab und auf die Viehherden, die weggetrieben wurden.
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Ich will sagen, das war besonders schrecklich, als einmal Pferde bombardiert wurden. Die Tiere wurden getötet, ich kann mich immer noch an ein Pferd erinnern, ihm war die Kruppe abgerissen, es lief so herum. Die Tiere wurden wild, sie liefen durcheinander, es waren ja Tausende. Das habe ich in Erinnerung behalten.
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So kamen wir in Kirowograd an, 300 Kilometer weiter. In Ananjew waren wir bei der Stadtverwaltung und baten um einen Pferdewagen. Der Leiter da war ein Jude, er sagte: „Ich würde das gerne machen, aber ich habe schon alle verteilt.“ So kamen wir nach Kirowograd, wir stiegen dort in den Zug ein, der Industrieanlagen ins Hinterland evakuierte. Ich kann mich dabei an Folgendes erinnern: Kamen Flugzeuge, dann hielt der Zug sofort an. Die Lokomotive gab ein Warnsignal, und alle versteckten sich unter den Bäumen, im Mais oder im Weizen.
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In diesem Jahr gab es eine sehr gute Weizenernte, der Weizen stand sehr hoch. Und noch eine Erinnerung, sie ist keine angenehme, aber ich erzähle, wie es war. Das war gegen 23.00 oder 24.00 Uhr. Da waren auch Provokateure, die mit Leuchtsignalen die Stellen preisgaben, wo wir gerade waren. Und es kam ein Jagdbomber im Tiefflug, ich sah den deutschen Flieger mit Fliegerhelm, er schoss auf uns und lachte dabei.
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Als alles vorbei war, pfiff die Lokomotive, wir stiegen wieder in den Zug ein. Warum ich diese Geschichte erzähle: Im Zug saß eine Frau mit Kind, das Kind weinte sehr, das ging auf die Nerven. Später wickelte man es aus und stellte fest, dass es eine Kugelverletzung am Po hatte.
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So kamen wir nach Dnepropetrowsk, dort wurden wir wieder bombardiert. Wir fuhren über Pawlodar dorthin. Ich konnte diese Luftangriffe schlecht ertragen, einmal verlor ich sogar den Anschluss an meine Familie, konnte sie aber dann einholen. Ich hatte Angst, mehr als die anderen, ich war sehr mitgenommen.
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Mit diesem Zug fuhren wir dann Richtung Rostow (am Don). Der nächste schwere Luftangriff war in Batajsk. Das waren 30 oder 50 Kilometer vor Rostow. Danach kamen wir in die Region Krasnodar, da gab es keine Luftangriffe mehr. Wir stiegen aus und wurden den Kolchosen zugeteilt. Ich kam in die Kosakensiedlung Popowka.
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Alle wurden dort in Privathäusern untergebracht. Wir kamen zur Familie Miroschnitschenko. Der Familienvater war Versorgungsbeauftragter, sie hatten eine Tochter Ljuda. Sie war auch 12 Jahre alt oder etwas älter. Sie kam zu uns in der Landkreisverwaltung… Alle sprachen dort Ukrainisch.
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Sie sagte zu ihrer Mutter: „Ischatschok ist hübsch.“ Sie sagte: „Ischatschok“, das heißt „Eselchen“. Also, sie wollte, dass ich bei ihnen wohne. Wir waren bei der Familie etwas über einen Monat. Sie behandelten uns sehr gut, keine Frage. Sie gaben uns zu essen und zu trinken. Ich war für sie wie ein Familienmitglied. Aber wir wurden dann erneut bombardiert.
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Wir stiegen in Krasnodar in den Zug ein und fuhren in den Nordkaukasus. Wir fuhren bis… Ja, als Krasnodar bombardiert wurde, fragten die Leute uns: „Was sollen wir machen?“ Wir waren ja schon erfahren. Wir stiegen in den Zug ein und kamen in Mosdok an. Wir stiegen dort aus und kamen zu einem jüdischen Kolchos, das waren Bergjuden. Dort ging es uns besonders schlecht, so seltsam das auch klingt. Wir waren für sie nicht religiös, denn wir zündeten am Schabbat keine Kerzen an. Aber von welchen Kerzen konnte schon die Rede sein, wenn wir es kaum geschafft hatten, dahin zu kommen?
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Als Mosdok auch bombardiert wurde, baten wir sie um einen Pferdewagen. Sie wollten das aber nicht. Wir gingen dann wieder zu Fuß nach Georgijewsk.
Aus Georgiejewsk fuhren wir mit dem Zug nach Machatschkala.
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Das ist Dagestan. Wir blieben dort zwei Tage und stiegen dann in einen Lastkahn ein. Kaum waren wir 5 oder 10 Kilometer vom Ufer entfernt, lief unser Schiff auf Grund.
Wie konnte das passieren? Es war bereits Dezember, es war kalt. Eine Seite des Schiffes war vereist, es kenterte und begann zu sinken.
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Der Kapitän betrank sich und sagte: „Wir gehen unter.“ Ja, er sagte es so offen. Wir waren im Schiff, lagen aufeinander. Da gab es keine Kabinen, das war ein Frachtschiff. So verbrachten wir dort zwei Tage, dann kam ein U-Boot. Man versuchte, das Schiff mit einem Tau loszuziehen, das klappte aber nicht. Dann kam noch ein U-Boot von der Kaspischen Flottille. Nun zogen sie das Schiff von beiden Seiten, es wankte und kam vom Grund weg.
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So kamen wir zum anderen Ufer des Kaspischen Meers, allerdings südlicher – nach Krasnowodsk in Turkmenien.
In Krasnowodsk ließ man uns in unbeheizte, aber immerhin Personenwagen einsteigen. Da wurde ich krank, zunächst hatte ich Masern, gleich danach Lungenentzündung.
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In den kalten Wagen wurden 13 Kinder krank.
Von diesen 13 Kindern konnten nur zwei überleben: ich und noch ein Mädchen.
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Wir kamen in ein Krankenhaus in Taschkent, ich war einige Tage dort. Danach fuhren wir Richtung Almaty.
In Almaty hielten wir uns beim Evakuierungspunkt am Bahnhof auf. Das war ein großes Klubhaus, alle lagen auf dem Boden mit ihren Rucksäcken… Nein, das waren einfache Säcke. Infolge der Lungenentzündung bekam ich dann Mittelohrentzündung, es kam zu einer Eiterung an der Hirnschale.
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Er sagte: „Er muss sofort operiert werden“, also eine Schädeloperation. Dann sagte jemand, das wäre an diesem Tag nicht möglich. Wir mussten am nächsten Tag wieder kommen. Und dann hieß es wieder: „Kein Platz frei, gehen Sie!“ Ich hatte aber unglaubliche Schmerzen.
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In Almaty hatte ich wieder Glück. Meine Mutter brachte mich zur Klinik… Bei mir war alles hier angeschwollen. Ich kam zu einem sehr bekannten Professor, sein Name war Sendulskij.
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Ich habe mal gesehen, dass einer in so einem Zustand starb, das war schrecklich, er schrie sehr. Gleich danach sah uns Sendulskij und fragte, warum wir hier sitzen. Wir antworteten, dass wir nach Hause geschickt wurden. „Sofort operieren!“ Und ich wurde operiert.