Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nach dem Hochschulabschluss ging ich in die Wirtschaft. Ich arbeitete als Konstrukteur bei einem Waschmaschinenwerk. Wir entwickelten die erste Waschmaschine in Moldawien.
  2. Allerdings guckten wir uns Einiges bei den englischen, deutschen und französischen Waschmaschinen ab, wo es nur ging. In dieser Zeit habe ich geheiratet, als ich für eine Familie sorgen konnte.
  3. Als ich mit dem Technikum fertig war, haben meine Geschwister geheiratet. Ich wohnte mit meiner Mutter zusammen und spürte, dass ich für sie gleichzeitig Sohn, Mann und Bruder war.
  4. . Ich hatte für mich und für sie Verantwortung. So lebte ich bis 1955. Nach dem Hochschulabschluss habe ich geheiratet, das war 1956.
  5. Ich bekam eine Wohnung und gründete eine Familie. Aber mein Vater hinterließ leider seine Spuren in meinem Leben und zwar sehr negative Spuren. Jeder Mensch hat seine Schwächen, ich habe sie auch. Bei mir werden sie immer in Verbindung mit meinem Vater gebracht. Seine Spuren trage ich immer noch in mir.
  6. Damals begann meine Arbeit in der Wirtschaft. Nach der Arbeit beim Waschmaschinenwerk war ich schon in der Stadt und in der Republik bekannt. Mir wurde angeboten, in einem Pumpenwerk zu arbeiten. Ich arbeitete dann dort 21 Jahre. Das waren die Sternstunden meines Lebens.
  7. Die Sache ist die: Nebenbei beschäftigte ich mich wissenschaftlich. Ich entwickelte viele Innovationen, sie waren nicht nur für die Republik von Bedeutung, sondern auch für die ganze Sowjetunion.
  8. Ich bekam dann das Angebot, in einem Rüstungsbetrieb in Balaschicha bei Moskau zu arbeiten. Meine erste Frau wollte aber nicht dahin, ich dann auch nicht. Der Unionsminister übte Druck auf meinen Direktor aus, dass ich dahin ziehe. Das war ein Werk, wo Weltraumprogramme realisiert wurden.
  9. Nebenbei schrieb ich ein Buch über Wirtschaft und wollte promovieren. Das Buch habe ich auch mit hierher gebracht. Promovieren konnte ich nicht, aus einem sehr einfachen Grund, aus materiellem Kalkül. Ich verdiente sehr gut, um die 500 Rubel.
  10. Ich half mal einem Freund zu promovieren. Er sagte mir dann: „Als Doktorand bekommt man 105 Rubel.“ Ich war auch so zufrieden, als Abteilungsleiter und leitender Konstrukteur in meinem Werk zu arbeiten.
  11. 1978 ist meine Ehe gescheitert. Ich ging fort, wie man so sagt, arm wie eine Kirchenmaus. Ich wollte darüber stehen und nahm nichts mit. Noch vorher war ich zu einem Werk für Gerätebau gewechselt.
  12. Da kam ich auch sehr gut zurecht. Nach der Scheidung musste ich das Auto verkaufen, das Geld bekam meine Frau, zuerst zur Hälfte, dann ganz. Es gibt aber überall Neider, und einer denunzierte mich, ich hätte vor, nach Israel auszuwandern. Ich war damals ein Geheimnisträger, ich durfte es nicht.
  13. Meine Frau ist ausgewandert. Er war der Meinung, dass ich ihr folgen würde. Ich wurde aller Posten enthoben und arbeitete dann zwei Jahre als Oberingenieur. Danach wurde der Direktor entlassen, und ich bekam meine alte Arbeitsstelle zurück.
  14. Der Direktor war dann weg, wie viele andere. Und der Mann, der mich denunziert hatte, ging dann selbst in die USA.