Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. 1941 eroberten die Deutschen die ganze Ukraine. Sie kamen bis zum letzten Gebietszentrum, in die Nähe von Woroschilowgrad. Sie machten dort Stopp für den Winter. Die ganze Regierung aus Kiew befand sich (damals) in Woroschilowgrad, bei uns wohnte auch ein „Volkskommissar“. Im Sommer 1942 begann (die deutsche Offensive) auf Stalingrad und den Nordkaukasus.
  2. Woroschilowgrad war eingekesselt. Am Don gab es Fähren. Kurz gesagt, die Stadt wurde von den Deutschen besetzt. Wir fuhren (schon) im Oktober 1941 fort. Am 1. September ging ich zur Schule, danach begann die Evakuierung. Wir fuhren ab im Güterwagen mit eingebauten Liegen, wir hatten nur das Nötigste mitgenommen. Anderthalb Monate waren wir unterwegs.
  3. Unser Ziel war Taschkent, da verteilte die Evakuierungsstelle Leute auf Zentralasien. Anderthalb Monate unterwegs, wir waren hungrig und verlaust, alles Mögliche… Wir wurden auch bombardiert, bevor wir die Wolga überquerten. Wir kamen in Taschkent an und wurden nach Kokand ins Gebiet Fergana eingewiesen, eine alte Stadt.
  4. Wir waren anderthalb oder zwei Monate unterwegs und hatten nichts… In der ersten Zeit nach der Ankunft konnte man noch etwas kaufen. Dann stiegen die Preise. Um einen Laib so genanntes „kommerzielles“ Brot zu kaufen, stand ich, ein Junge, zwei Nächte an. Denn es gab kein Brot, alle da haben Fladenbrote privat gebacken.
  5. Wir konnten das nicht und hatten auch kein Mehl. Es kam so, dass ich ein Jahr verlor, ich ging nicht zur Schule. Da ich aber mit sechs Jahren eingeschult worden war, beendete ich da die 7. Klasse. Insgesamt waren wir zwei Jahre dort. Nach der Befreiung von Woroschilowgrad orderte der Volkskommissar für Gesundheit alle ukrainischen Ärzte zurück.
  6. Wir kamen sehr schnell dahin. Die Stadt war zerstört, in unserer Wohnung waren schon KGB-Leute, am Haus waren Brandspuren. Also keine Wohnung mehr. Meine Mutter bekam eine Stelle im Seuchenkrankenhaus, als Stationsleiterin. Danach war sie Chefärztin, dann ehrenamtliche Chefärztin für Seuchenkrankheiten im ganzen Gebiet.
  7. Wir wohnten in einem Schuppen, früher war da ein Lager gewesen. Mit uns zusammen war damals Mutters Tante. Sie wohnte (schon früher) bei uns, weil die Eltern arbeiten gingen und sie uns zwei Jungs in den Kindergarten brachte, uns fütterte usw. Wir waren zusammen in der Evakuierung und kehrten zusammen zurück.