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Die Perestroika nahmen wir natürlich mit großer Freude auf. Und mit großen Hoffnungen. Diese Hoffnungen begannen dann aber zu verfliegen, und zwar wesentlich früher, als es scheint. Denn man fühlte immer, dass… Zuerst fühlte man, dass das alles irgendwie nicht weit genug geht. Danach fühlte man, dass sich alles in die falsche Richtung bewegt. Ein sehr wichtiger Moment in meinem Leben war Tschernobyl. Ich fuhr hin, nachdem das Ganze passiert war.
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Man konnte als Vertreter des Schriftstellerverbandes dort hin reisen. Die Idee war folgende: Da arbeiten Leute, die Schriftsteller besuchen sie und erzählen ihnen etwas. Oder ein Musiker. Unsere Gruppe machte sich auf den Weg, dabei waren ein Komponist und der Direktor des „Hauses des Literaten“. Wir drei Schriftsteller und der Komponist Gladkow. Wir erfuhren die Wahrheit über Tschernobyl.
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Wir erfuhren die Einzelheiten über die Demonstration in Kiew, als die Kinder der Chefs bereits in Sicherheit gebracht worden waren. Der neue Direktor, der vorher in Smolensk gearbeitet hatte, erzählte uns, wie er da Alarm geschlagen hatte. Er wusste, was in Tschernobyl los ist. Und er hörte: „Gib deinen Parteiausweis ab“. Es war klar, dass die Umgestaltung nicht ausreicht.
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Alles musste neu aufgebaut werden. Aber es war unklar, wie man bauen sollte. Und als der Bau begann, stellte sich heraus, dass nicht die wunderbaren Menschen an die Macht kommen, die wir von TV-Übertragungen von Sitzungen und Kongressen kennen.
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Es waren ganz andere. Anstelle der wunderbaren Versprechungen gab es Kioske in den Metro-Übergängen und rings um mein Haus. Plötzlich fand ich mich unter der Herrschaft eines ganz anderen Publikums. Das war übrigens ein sehr wichtiger Grund für meine Enttäuschung über das Land.
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Das Land und die Stadt, die mehr als nur meine waren, wurden plötzlich… Russland bleibt für mich auch heute mein Land, trotz aller Nachrichten. Ich fühlte mich da zugehörig – trotz Antisemitismus und allem, was ich erleben musste. Ich habe dazugehört, mich wohl gefühlt.
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Auf einmal merkte ich, dass ich in einer für mich völlig fremden Stadt lebe. Ich wurde plötzlich materiell und geistig ein unerfüllter Mensch. Es stellte sich heraus, dass keiner meine Arbeit braucht. Heute werden diese Bücher verlegt, damals wurden aber all die Verlage geschlossen. Man verlegte Bücher, die mir richtig fremd sind.
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Es geht nicht darum, ob sie gut oder schlecht sind, obwohl es sehr viele schlechte gab und noch gibt. Es war einfach nicht die Literatur, die ich liebe. Und es gab keinen Hoffnungsschimmer, dass sich das ändern könnte. Geld wurde in den Vordergrund gestellt – für mich ist das sehr schwierig, das ist überhaupt nicht meins. Das alles bereitete bei mir den Boden für eine mögliche Emigration.
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Ich war jahrelang gezwungen, „Doktor Schiwago“ und den „Archipel Gulag“ heimlich zu lesen. Ich verreiste wenig, es klappte irgendwie nicht. Aber ich war in der DDR. Auf der Rückkehr wollte ein Zöllner mir die Ansichtskarten mit Cranachs Gemälden abnehmen, die ich im Weimarer Museum gekauft hatte.
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Er sagte: „Das ist religiös, Sie führen religiöse (Bilder) ein.“ Schließlich hatte er Mitleid mit mir und ließ sie durch. Aber es ist kaum besser, wenn in der Nähe des Roten Platzes „Mein Kampf“ verkauft wird. Ich habe das gesehen. Es ist kaum besser, wenn das Fernsehen zeigt, dass der russische Verleger von „Mein Kampf“ vom Gericht freigesprochen und am Eingang mit Rosen überschüttet wird.
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Ich hab’ die „Schwarzhemden“ in Petersburg gesehen, die es immer noch gibt. Neulich sah ich eine deutsche TV-Sendung über „die russische SS, Sojedinjonnyje Slawjane“.
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Das alles hat mich innerlich darauf eingestimmt, als Mensch der russischen Kultur und als schreibender Mensch über eine mögliche Auswanderung nachzudenken. Obwohl ich damals der Meinung war, dass eine Emigration auch die Beendigung meiner geliebten Arbeit bedeuten würde.