Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. 1943 ging ich auf die Schule. Sie war auf dem zentralen Platz in Frunse. Meine erste Lehrerin Anna Nikolajewna sah, dass ich mit der linken Hand schrieb und sagte: „Das wird anders. Sie müssen wie alle Kinder mit rechts schreiben.“ Ich konnte schon lesen und schreiben, (aber) nur mit links. Mein Vater hielt es wohl für unnötig, sich damit zu beschäftigen. Man begann mich umzuschulen. Ich war eine sehr gute Schülerin, aber in so einem wichtigen Fach wie dem Schreiben hatte ich eine Drei. Ich weinte oft deswegen.
  2. Sonst war alles gut. Es war eine Mädchenschule. Wir trugen natürlich keine Schuluniform. Es gab da einen sehr interessanten Vorfall: Damals war alles in Frunse rationiert, auch die Kleidung. Einmal fand meine Mutter einen Haufen von solchen Karten. Sie behielt natürlich keine und brachte sie der Mitarbeiterin der Sozialbehörde, die sie verloren hatte. Die war ihr sehr dankbar. Ich weiß noch sehr gut, dass ich aus Dankbarkeit eine Karte für ein Kleidchen bekam. Und ich weiß noch, wie das Kleidchen aussah, das ich damals anprobierte.
  3. Wir hatten kurze Haare. Dann zog ich das Kleid an und sah auf einmal aus wie ein Mädchen. Ich weiß noch, weil ich ein Kleidchen anhatte, sagte die Tante sogar „Mädele“ (zu mir), auf Jiddisch.